14.05.2024 18:27:39 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Staatsanwaltschaft fordert Bewährungsstrafe für AfD-Höcke

HALLE (dpa-AFX) - Im Prozess gegen den AfD-Politiker Björn Höcke hat die
Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag eine Freiheitsstrafe von sechs
Monaten auf Bewährung gefordert. Es sei weder nachvollziehbar noch glaubhaft,
dass Höcke nicht gewusst habe, dass es sich bei der Losung "Alles für
Deutschland" um eine verbotene SA-Parole handelt, erklärte Staatsanwalt Benedikt
Bernzen am Dienstag vor dem Landgericht in Halle. Höckes Verteidigung plädierte
dagegen auf Freispruch. Der Prozess zog sich unerwartet in die Länge. Ein Urteil
wurde noch für den Abend erwartet.

Das Gericht hatte zuvor eine Erklärung abgegeben, wonach es maximal eine
Geldstrafe vorsieht. In diesem Fall müsste Höcke keine Aberkennung seiner
Amtsfähigkeit befürchten. Die Staatsanwaltschaft sieht hingegen nur eine
Freiheitsstrafe als angemessen an. Zudem solle Höcke 10 000 Euro zahlen,
möglichst für gemeinnützige Einrichtungen wie Demokratieförderprojekte oder
NS-Gedenkstätten. Das mögliche Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis hin zu
drei Jahren Freiheitsstrafe.

Der Staatsanwaltschaft zufolge soll Höcke wissentlich in einer Rede im Mai
2021 in Merseburg eine Parole der SA (Sturmabteilung), der paramilitärischen
Kampforganisation der NSDAP, verwendet haben. Er sagte dort: "Alles für unsere
Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland". Beim dritten Teil des
Dreiklangs handelt es sich um die verbotene Losung der SA. Die
Staatsanwaltschaft Halle wirft Höcke vor, von der Herkunft und der Bedeutung der
Losung gewusst zu haben. Der 52-Jährige hatte die Vorwürfe gegen ihn vor Gericht
zurückgewiesen.

Höckes Verteidiger Ralf Hornemann sagte in seinem Plädoyer, der Spruch sei
eigentlich vergessen gewesen. Nicht Höcke, sondern die Staatsanwaltschaft habe
dafür gesorgt, dass ihn nun zahlreiche Menschen kennen. Rechtsanwalt Philip
Müller argumentierte zudem, ein Bezug zur NS-Zeit sei bei der Veranstaltung in
Merseburg nicht vorgekommen. Über Windräder sei geschimpft worden, über die
Grünen und über die Migrationspolitik. Es habe sich um eine spontane Rede Höckes
gehandelt und es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parole planvoll oder
vorbereitet verwendet worden sei.

Höcke selbst richtete sich in seinem Schlusswort an die Staatsanwaltschaft.
"Mein Eindruck ist, dass sie heute die Binde der Justitia nicht auf ihren Augen
hatten, Herr Staatsanwalt", sagte Höcke. "Sie haben nicht nach entlastenden
Momenten gesucht." Zudem verwies der Politiker mehrfach darauf, dass er die
Meinungsfreiheit in Deutschland als eingeschränkt sieht. Der Richter ermahnte
Höcke, er solle sich zur Sache äußern und keine Wahlkampfrede halten.

Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert
rechtsextrem eingestuft und beobachtet, Höcke ist ihr Landeschef.

Ein zweites gezeigtes Video zeigt einen Auftritt von Höcke im thüringischen
Gera. Dort hatte er während eines Stammtisches die Parole "Alles für
Deutschland" auch verwendet, das dritte Wort allerdings nicht selbst
ausgesprochen, sondern es vom Publikum rufen lassen. Zu diesem Zeitpunkt war die
Anzeige wegen der Rede in Merseburg und die Ermittlungen längst Thema in den
Medien. Der Fall sollte zwischenzeitlich Teil der aktuellen Verhandlung in Halle
werden, wurde es dann aber doch nicht.

Der Thüringer AfD-Parteichef will am 1. September als Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl in Thüringen antreten. Ein Urteil des Landgerichts
wird voraussichtlich keine Auswirkungen auf seine Kandidatur haben. Die
AfD-Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt werden von den dortigen
Landesämtern für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

Der in Nordrhein-Westfalen geborene Höcke wird sich auch wegen weiterer
Vorwürfe vor Gericht verantworten müssen: Am Landgericht Mühlhausen in Thüringen
wurde eine Anklage gegen ihn wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen.
Termine für die Verhandlung gab es dort bis zuletzt nicht. Vor dem Landgericht
in Halle soll der Fall in Gera verhandelt werden. Auch hier gibt es bislang
keine Termine./ija/DP/he

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