15.05.2024 15:07:13 - dpa-AFX: ROUNDUP: Erstflug der Heron TP: Bundeswehr hat nun bewaffnete Aufklärungsdrohne

JAGEL (dpa-AFX) - Die neue und mit Raketen bestückbare Aufklärungsdrohne der
Bundeswehr ist im Luftraum über Norddeutschland in den praktischen Flugbetrieb
gegangen. Das unbemannte Fluggerät German Heron TP startete am Mittwoch vom
Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein zu einem ersten öffentlichen Flug.
Generalleutnant Günter Katz, dem in der Luftwaffe die fliegenden Verbände
unterstellt sind, sprach in Jagel von einem "beispiellosen Quantensprung" mit
verbesserten Aufklärungsfähigkeiten. Anders als das Vorgängermodell Heron 1 zum
Schutz von Truppenbewegungen kann die Heron TP auch mit Waffen bestückt werden.
Darum hatte es in Deutschland jahrelang politische Debatten gegeben. Der
Flugbetrieb in Deutschland findet ohne Bewaffnung statt.

Die Drohne wird von dem israelischen Unternehmen Israel Aerospace Industries (IAI) hergestellt und wiegt mit Ausrüstung mehr als fünf Tonnen. Die Maschinen
haben eine Spannweite von 26 Metern und sind deutlich größer als die Heron 1.
"Die German Heron TP kann je nach Konfiguration bis zu 27 Stunden in der Luft
bleiben. Durch einen parallelen Betrieb von zwei Aufklärungsdrohnen könnte ein
Einsatzraum somit mehrere Tage lang dauerhaft überwacht werden", teilte die
Luftwaffe mit. Die Maschine hat eine hochauflösende Kamera für den Tag, eine
Infrarotkamera für die Nacht und Radaranlagen an Bord, die ein dreidimensionales
Abbild des Bodens aufnehmen.

Auf die Frage, was man aus der Höhe sehen könne, sagte ein Experte, unter
idealen Bedingungen sei auf 100 Kilometer Entfernung zu erkennen, ob ein Soldat
bewaffnet ist. Dass bewegte Bilder live in Lagezentren oder Gefechtsstände
übertragen werden können, ist zudem ein wesentlicher Vorteil, um Entwicklungen
einordnen und verstehen zu können. "Fotos erzählen keine Geschichte", sagte ein
Luftwaffenfachmann dazu.

In der vergangenen Woche hatte das Luftfahrtamt der Bundeswehr die
Verkehrszulassung für die Heron TP unterzeichnet. Deutschland hat nun ein
unbemanntes Luftfahrzeug, das auch außerhalb von strikt militärischen
Übungsgebieten genutzt werden kann. "Das fliegt im deutschen Luftraum, das
fliegt weltweit im normalen Luftraum, wie alle anderen Luftfahrzeuge auch, nur
eben ohne Piloten im Luftfahrzeug", sagte Katz der Deutschen Presse-Agentur. Die
hohen Sicherheitshürden dafür seien erfüllt. Ein Quantensprung sei "die Schärfe
von Bildern, die Reichweite, mit der wir Sachen auffassen können".

Katz betonte: "Und der dritte Punkt ist, dass wir jetzt zum ersten Mal ein
unbemanntes Luftfahrzeug haben, das auch bewaffnungsfähig ist." Die neue Drohne
könne in der Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt werden, aber auch in
Krisensituationen oder im Auslandseinsatz. Wenn Truppen im Gefecht seien, könne
kurzfristig eingegriffen und die Soldaten unterstützt werden.

Im Kreis wichtiger Verbündeter gehört Deutschland zu den Nachzüglern bei
einer Fähigkeit, die sich als militärisch wichtig erwiesen hat. Um die Frage, ob
die Drohne überhaupt mit Waffen bestellt werden soll, oder ob Deutschland eine
bewaffnungsfähige Drohne aus Gründen der moralischen Abwägung ohne Waffen
betreiben soll, hatte es eine fast zehn Jahre dauernde Diskussion gegeben. Die
politischen Vorbehalte haben dazu geführt, dass andere Staaten die
Technologieführerschaft übernommen haben. Deutschland least fünf der Systeme in
Israel. Auch bei den mit Sprengstoff versehenen und billigen "Einwegdrohnen"
haben Staaten wie die Türkei und Iran die Nase vorn.

Der Streit ist auch ein politisches Lehrstück: Noch 2020 hatte sich die SPD
als kleinerer Partner in der Regierung mit der Union die Bewaffnung auf Eis
legen lassen, nachdem Offiziere, Techniker, Ethiker und Völkerrechtler gehört
worden waren. SPD-Fraktionsvize Gabriela Heinrich sagte damals: "Es hat sich
gezeigt, dass es noch sehr, sehr viele Fragen gibt, die wir klären müssen.
Klären, bevor wir uns unumkehrbar für die Bewaffnung aussprechen können." Der
Schutz der Soldaten sei sehr wichtig, als "Friedenspartei" sehe man aber die
Dimension der Drohne als Angriffswaffe. Fritz Felgentreu, damals
verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schmiss hin, um
sich nicht verbiegen zu müssen.

Im April 2022 - wenige Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs
auf die Ukraine - gab dann der Bundestag grünes Licht für eine Ausrüstung der
Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen, einer Einigung der Ampel-Parteien folgend.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann
(FDP), sagte da: "Eine Drohne klärt auf. Derjenige, der sie führt, muss aber
auch in der Lage sein, mit ihr die Truppen am Boden zu schützen. Dafür ist die
Bewaffnung von Drohnen essenziell, und das kann eine bewaffnete Drohne besonders
gut."/cn/DP/stk

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