22.05.2024 16:48:16 - dpa-AFX: Börse Frankfurt-News: "Pessimistisch mit Verzögerung" (Marktstimmung)

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Viele in der Vorwoche noch zögerliche
institutionelle Investoren haben mittlerweile dem DAX den Rücken gekehrt.

22. Mai 2024. Immerhin hat es der DAX nur einige Stunden nach unserer
vergangenen Sentiment-Erhebung geschafft, noch ein neues Allzeithoch zu
produzieren, bevor sich das Handelsgeschehen an den folgenden Tagen merklich
beruhigte. Die Kurse bildeten sich seither peu à peu zurück, aber das
Börsenbarometer fiel in der Spitze lediglich um 1,4 Prozent, und die
anschließende leichte Erholung sorgte dafür, dass im Wochenvergleich ein kleines
Minus von 0,5 Prozent zu Buche schlägt. Damit sollte die große Mehrheit der
zuletzt neutral gestimmten institutionellen Investoren - immerhin rekordhohe 45
Prozent aller Befragten - Recht behalten, dass der seit Anfang Mai gestartete
Aufwärtstrend des DAX eine Pause einlegen, aber auch keine große Gegenbewegung
zustande kommen würde. Gut möglich, dass diese relative Ruhe den
Pfingstfeiertagen (allerdings waren die Börsen am Pfingstmontag hierzulande
geöffnet), möglicherweise aber auch fehlenden makroökonomischen Impulsen
geschuldet war.
Trotz des vergleichsweise ruhigen Marktgeschehens hat es bei den institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont einen deutlichen Stimmungseinbruch gegeben. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist um 20 Punkte auf einen Stand von -21 gefallen. Dabei hat die Gruppe der Bären um 16 Prozentpunkte zugelegt - 75 Prozent der neuen Pessimisten gehen auf vormals neutral eingestellte Akteure zurück, während das übrige Viertel ehemaligen Bullen zuzuschreiben ist, die ihre Position um 180 gedreht haben.

Stimmungswechsel in zwei Schritten

Um jedoch die Motivation für diesen deutlichen Stimmungswechsel zu verstehen,
muss man zwei Wochen zurückgehen. Denn in der Summe befindet sich der Anteil der
neutral gestimmten Investoren nunmehr wieder auf dem Niveau von vor 14 Tagen,
während es im selben Zeitraum eine deutliche Verschiebung von 17 Prozent aller
Befragten von den Bullen zu den Bären gegeben hat. Mit anderen Worten: Vielfach
haben ehemalige Optimisten zunächst ihre früheren bullishen Engagements
lediglich glattgestellt und sich dann erst, in einem zweiten Schritt, für eine
pessimistische Positionierung entschieden. Dabei dürfte das neue Allzeithoch
vergangene Woche, das zwar nicht wesentlich über dem der Vorwoche lag, die
Entscheidung zu weiteren Absicherungen bzw. Short-Positionen erleichtert haben.

Nahezu unbewegt

Wenig Veränderung gab es indes bei den Privatanlegern. Dort ist der Börse
Frankfurt Sentiment-Index um 2 Punkte auf einen neuen Stand von +5 gefallen, und
zwar zulasten der Polarisierung zwischen Bullen und Bären - allerdings
asymmetrisch verteilt: Während sich die Gruppe der Optimisten um 4 Prozentpunkte
reduzierte, gab es einen halb so großen Rückgang bei den Pessimisten um 2
Prozentpunkte. Weiterhin auffallend ist die Diskrepanz zwischen den über Social
Media Befragten und den übrigen Investoren. Erstere sind nach wie vor deutlich
optimistischer gestimmt.

Mit der heutigen Befragung hat sich die Stimmungskluft zwischen Privatanlegern
und institutionellen Investoren stark vergrößert. Bemerkenswert ist dabei auf
der einen Seite die erst mit einer Verzögerung eingenommene bearishe Haltung der
Institutionellen über zwei Wochen hinweg, als ob man erst noch eine Bestätigung
abwarten wollte, ob es wirklich sinnvoll ist, sich auf die Short-Seite zu
begeben. Andererseits hat der DAX interessanterweise per Saldo unter den
dahinter stehenden Abgaben fast gar nicht gelitten - ein Indiz für gute
langfristige Nachfrage. Die relative Betrachtung auf Sicht von drei und sechs
Monaten zeigt indes, dass der jüngste Pessimismus deutlich niedriger ist, als es
die absoluten Zahlen vermitteln. Auch gehen wir davon aus, dass die jüngsten
bearishen Engagements im Falle weiterer Rücksetzer (vermutlich erstmals spürbar
zwischen 18.250 und 18.300 Zählern) wieder eingedeckt werden. Alles in allem aus
sentiment-technischer Sicht also keine schlechten Nachrichten für den DAX.

Sentiment-Index institutioneller Anleger*innen

DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 18.690 (-85 zur Vorwoche) Börse
Frankfurt Sentiment-Index institutionell Anlegende: -21 Punkte (-20 zur
Vorwoche)

Sentiment-Index privater Anleger*innen

DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 18.690  (-85 zur Vorwoche)  Börse
Frankfurt Sentiment-Index privat Anlegende: +5 Punkte  (-2 Punkte zur Vorwoche)


Von Joachim Goldberg

22. Mai 2024, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

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