14.05.2024 07:04:08 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Wird das Krabbenbrötchen zum Luxusgut?

HAMBURG/TRAVEMÜNDE/CUXHAVEN (dpa-AFX) - Nordseekrabben sind teuer und selten
geworden. "Es ist im Moment nicht nur eine Frage des Geldes", sagte der
Fischereiberater bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Philipp
Oberdörffer, der Deutschen Presse-Agentur. Demnach haben einige Discounter keine
Nordseekrabben mehr im Sortiment. Auch manche Restaurants im Norden verzichten
auf Krabbengerichte oder servieren nur geringe Mengen. Die Zahl der gefangenen
Krabben reiche nicht für alle aus, sagte Oberdörffer.

Bis zu 15 Euro für ein Krabbenbrötchen

In vielen Urlaubsorten gibt es weiter Krabbengerichte, die Menschen müssen
dafür aber deutlich mehr bezahlen als früher. So lag der Preis für ein
Krabbenbrötchen an den Landungsbrücken in Hamburg Anfang Mai bei bis zu 15 Euro.
Auch in den Urlaubsorten Travemünde und Timmendorfer Strand kostete das bei
Touristen beliebte Brötchen ähnlich viel.

Nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga)
Schleswig-Holstein sind die Krabbenpreise aktuell hoch. Demnach geben die
meisten Gastronomen die Preissteigerungen allerdings nicht an die Verbraucher
weiter und verdienen mit diesen Gerichten dann nicht viel oder nichts. Es sei
unklar, wie lange das noch leistbar sei.

Zu wenig Krabben verfügbar

Der Fischhändler Gosch verkauft aktuell an den meisten Standorten
Krabbenbrötchen und verweist darauf, dass sich die Lage im Vergleich zum März
und April etwas verbessert habe. Krabben seien weiter sehr teuer, aber
wenigstens verfügbar, sagte ein Unternehmenssprecher. Ende März und im April sei
dies noch viel dramatischer als jetzt gewesen. "Da galt es nicht nur die Frage
zu klären, ob und zu welchem Preis man die Krabbenbrötchen noch an die Gäste
verkauft, sondern auch, ob man überhaupt Ware bekommt." Zeitweise verkaufte
Gosch daher nur noch auf Sylt Krabbenbrötchen. Dem Sprecher zufolge kostet ein
Krabbenbrötchen dort aktuell weiter 6,50 Euro, weil es für den Unternehmer eine
"Herzensangelegenheit" ist. Er verwies darauf, dass es auch früher preisliche
Schwankungen durch unterschiedliche Verfügbarkeiten von Nordseekrabben gegeben
habe. Eine so geringe Verfügbarkeit habe das Unternehmen aber noch nicht erlebt.

Extrem niedrige Fangmengen im Jahr 2023

"Die Situation ist besonders, weil die niedrigen Fänge seit Jahren
anhalten", sagte Fischereiexperte Oberdörffer. "In der deutschen
Krabbenfischerei erleben wir seit nunmehr vier bis fünf Jahren deutlich
unterdurchschnittliche Fänge." Er verwies darauf, dass die deutschen
Krabbenfischer in den Jahren 2000 bis 2015 im Durchschnitt zwischen 12 000 und
13 000 Tonnen angelandet hätten. Im Jahr 2023 habe die Menge bei 5500 bis 6000
Tonnen gelegen. Auch in anderen Ländern seien die Fangmengen im vergangenen Jahr
extrem gering gewesen und hätten den niedrigen deutschen Fang nicht ausgleichen
können. "Eigentlich hätte hier der Preis schon deutlich ansteigen müssen, aber
höhere Preise sind im Markt aktuell kaum umsetzbar. Und daher hat es bis in den
Herbst 2023 gedauert, bis die Preise sich deutlich aufwärts bewegt haben."

Die nun hohen Preise basieren demnach auf der extremen Verknappung und
fehlenden Lagerbeständen. "Der Absatz ist zwangsläufig eingebrochen, da aktuell
die Nachfrage die Fangmengen deutlich übersteigt", so Oberdörffer. "Wir hoffen
aber, dass sich dieses Verhältnis im Spätsommer wieder normalisiert, da dann der
neue Krabbenjahrgang in der Fischerei auftaucht und hoffentlich höhere
Fangmengen bei auskömmlichen Preisen ermöglicht." Eine Vorhersage sei nicht
möglich. Wie viele Krabben es in der Nordsee gibt, hängt demnach von sehr vielen
Faktoren ab - unter anderem vom Wetter, Nahrungsangebot und von der Zahl der
Fressfeinde.

Ungewisse Zukunft der Krabbenfischerei

Wie viele Krabben es künftig zu welchen Preisen geben wird, ist auch mit
Blick auf politische Entscheidungen ungewiss. Die EU-Kommission will die
Fischerei mit Grundschleppnetzen - der typischen Fangmethode der Krabbenfischer
- in Meeresschutzgebieten untersagen. Grundschleppnetze sind Fanggeräte, die
etwa von einem Kutter geschleppt werden und für das Fischen beispielsweise von
Schollen oder Krabben am Meeresboden oder in Bodennähe konzipiert sind.
Meeresschützer kritisieren die Fangmethode, da sie den Meeresboden und dort
lebende Organismen schädigt./ems/DP/jha

--- Von Birgitta von Gyldenfeldt und Helen Hoffmann, dpa ---

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