14.05.2024 20:14:04 - dpa-AFX: Weltstrafgericht will sich von Drohungen nicht einschüchtern lassen

NEW YORK (dpa-AFX) - Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs
hat beteuert, sich Einschüchterungsversuchen nicht beugen zu wollen. Karim Khan
reagierte am Dienstag im Weltsicherheitsrat in New York auf einen Kommentar zu
Druck aus den USA wegen eines möglichen Haftbefehls gegen den israelischen
Premier Benjamin Netanjahu, ging auf das Thema aber nicht speziell ein. "Wir
lassen uns nicht beeinflussen, weder durch Haftbefehle gegen mich noch durch die
Festnahme gewählter Amtsträger des Gerichts", sagte Khan vor dem mächtigsten
UN-Gremium und den anwesenden Vetomächten.

"Wir haben die Pflicht, für Gerechtigkeit einzutreten, um für die Opfer
einzutreten, und ich bin mir vollkommen darüber im Klaren, dass es in diesem
Raum Goliaths mit Macht und Einfluss gibt", so Khan weiter. Doch es gebe so
etwas wie das Gesetz, dem die internationale Organisation verpflichtet sei.

Das Weltstrafgericht und Chefankläger Khan waren in den vergangenen Wochen
vor allem aus Israel und den USA scharf attackiert worden. Anlass waren Berichte
über mögliche Haftbefehle gegen Netanjahu und andere hohe israelische Vertreter
wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Dies hatte Netanjahu ein
"beispielloses antisemitisches Hassverbrechen" genannt. US-Abgeordnete drohten
mit Sanktionen gegen das Gericht, sollte es wirklich zu Haftbefehlen kommen.

Khan antwortete bei der Sitzung, in der es eigentlich um Libyen ging, auf
eine Bemerkung des russischen Botschafters Wassili Nebensja. Dieser hatte die
Frage in den Raum gestellt, ob die angekündigte Gesetzesinitiative des
US-Abgeordnetenhauses die Effektivität des Weltstrafgerichts schmälere. Khan
nahm in seiner Antwort dann allerdings nicht direkt Bezug auf die USA, sondern
sagte, er würde weder Beeinflussung aus Russland noch "durch andere gewählte
Amtsträger in einer anderen Gerichtsbarkeit" dulden.

Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen Palästinenser und
Israelis wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Israel erkennt das
Gericht zwar wie die USA nicht an, aber Palästina ist seit 2015 Vertragsstaat.
Daher ist das Gericht auch befugt, mutmaßliche Täter für Verbrechen in den seit
1967 besetzten Gebieten wie dem Westjordanland und dem Gazastreifen zu
verfolgen. Khan hatte Ende 2023 Israel und die palästinensischen Gebiete besucht
und bekräftigt, dass zu Verbrechen auf allen Seiten des Krieges ermittelt werden
müsse.

Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Individuen wegen mutmaßlicher
Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und
Aggressionskrieg. Khan hatte auch bereits internationale Haftbefehle gegen vier
hochrangige Russen erlassen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine,
darunter auch gegen Präsident Wladimir Putin./scb/DP/he

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