03.06.2024 08:30:02 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Übernahmen und Fusionen - Opel baut seit 125 Jahren Fahrzeuge

RÜSSELSHEIM (dpa-AFX) - Opel ist wieder im Geschäft. Als einzige deutsche
Marke im europäisch-amerikanischen Konzern Stellantis verdient
die Automarke mit dem Blitz seit einigen Jahren wieder Geld - nach einer
schmerzhaften Sanierungskur mit dem Abbau tausender Stellen und deutlich
eingedampften Standorten. Am Stammsitz Rüsselsheim wird am kommenden Samstag (8.
Juni) das Jubiläum zu 125 Jahren Fahrzeugbau gefeiert, zu dem auch Bundeskanzler
Olaf Scholz erwartet wird. Ins Zentrum stellt der Hersteller seine
Elektro-Strategie, die Konzernchef Carlos Tavares am liebsten mit hohen
EU-Schutzzöllen gegen China-Importe durchsetzen will.

Seit 1899 hat Opel mehr als 75 Millionen Fahrzeuge auf die Räder gestellt.
Die Entscheidung für den Automobilbau fiel kurz nach dem Tod des Firmengründers
Adam von Opel, der die Fabrik mit Nähmaschinen und Fahrrädern groß gemacht
hatte. Der gut ausgebildete Mitarbeiterstamm und ähnliche Produktionsweisen
waren die Grundvoraussetzungen für den Aufstieg zum größten deutschen
Autohersteller in den 1920er-Jahren, bevor Adams Nachkommen das Unternehmen an
den US-Konzern General Motors verkauften.

Der "Laubfrosch" als Erfolgsmodell

Der 1899 aus Dessau übernommene Patentmotorwagen des Autopioniers Friedrich
Lutzmann erwies sich schnell als technisch unterlegen: Bis 1901 wurden lediglich
65 Wagen hergestellt, die noch stark an Pferdekutschen erinnerten. Erst in der
Kooperation mit dem französischen Hersteller Darracq gelang der Einstieg in das
neue Technologie-Zeitalter. Der sogenannte Doktorwagen 4/8 PS und erst recht der
seit 1924 am Fließband hergestellte "Laubfrosch" waren Erfolgsmodelle aus
Rüsselsheim.

Die Machtübernahme durch das NS-Regime änderte zunächst nichts an dem
Engagement der 1929 eingestiegenen Amerikaner. Opel wurde mit dem P4, dem
Lastwagen Blitz und dem Olympia mit selbsttragender Stahlkarosserie zum größten
Autohersteller Europas. Im Zweiten Weltkrieg stellte der NS-Staat die Werke
komplett auf Kriegsproduktion um, auch tausende Zwangsarbeiter wurden
eingesetzt. Der US-Konzern General Motors (GM) wurde während des Kriegs zwar
kaltgestellt, beanspruchte aber später Gewinnanteile aus der Nazi-Zeit.

Vom Marktführer zur Verlierermarke

Im westdeutschen Wirtschaftswunder stieg Opel zum zwischenzeitlichen
Marktführer und wichtigsten Kontrahenten des VW -Konzerns auf.
Rekord, Kapitän und der kompakte Kadett aus Bochum waren Bestseller, später
trugen auch der Kleinwagen Corsa und der Sportwagen Manta zum Erfolg der Marke
mit dem Blitz bei. Der Abstieg setzte Ende der 80er-Jahre mit dem "Lopez-Effekt"
ein, benannt nach dem Manager José Ignacio López, der Zulieferer ohne Rücksicht
auf die Qualität im Preis drückte. Die Opel-Modelle verloren endgültig ihren
Zuverlässigkeits-Nimbus, die aus Detroit entsandten Manager wechselten in immer
kürzeren Abständen.

GM-Modelle fliegen aus dem Portfolio

Nach 20 verlustreichen Jahren in Folge übernahm im Sommer 2017 die
Peugeot-Mutter PSA von GM den Opel/Vauxhall-Produktionsverbund mit Werken unter
anderem in Großbritannien, Polen, Spanien und Deutschland. "Opel hat sich seit
den 1990er Jahren zu einer Verlierermarke entwickelt und war fast 'klinisch
tot'", beschreibt Auto-Experte Stefan Bratzel die Lage. Die viel zu aufwendig
geplanten und zu teuer produzierten GM-Modelle flogen nacheinander aus dem
Portfolio. Seit 2022 läuft jeder Opel allein mit der Technik des neuen
Mutterkonzerns, der mit Fiat-Chrysler zu Stellantis fusionierte.

Eine Episode blieben Pläne aus der Finanzkrise 2008/2009, den Autobauer an
ein Konsortium aus dem kanadischen Zulieferer Magna und der
russischen Sberbank zu verkaufen. Trotz bereits zugesagter staatlicher
Überbrückungskredite und fortgeschrittener EU-Untersuchungen sagte GM den Deal
in letzter Minute ab und versuchte in der Folge, Opel mit Massenentlassungen
gesundzuschrumpfen. Noch 1990 waren bei Opel mehr als 57 000 Menschen
beschäftigt, unter anderem wurde das Kadett/Astra-Werk in Bochum dicht gemacht.

Rigorose Schrumpfkur

Auch nach der Übernahme durch PSA wurden tausende Jobs abgebaut. Laut IG
Metall hat sich die Zahl der Beschäftigten seit 2017 an den verbliebenen
Standorten geradezu halbiert. Stellantis nennt zum Jahresende in Rüsselsheim
8300 Beschäftigte, 1100 in Eisenach, 1000 in Kaiserslautern und mehr als 570 in
Bochum. Dazu kommen noch 1100 Menschen in den Stellantis-eigenen
Vertriebseinheiten.

Es habe in den letzten Jahren "mächtig geruckelt", sagt der Chef des
IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger. "Der stetige Arbeitsplatzabbau hat zu
viel Frust in der Belegschaft geführt. Ich bin mir aber sicher, dass unter dem
Dach von GM keine Zukunft für Opel und die Beschäftigten bestanden hätte."

Übernahme durch PSA als Glücksfall

"Opel ist und bleibt eine von vielen Marken im Stellantis-Konzern. Als
eigenständiger Autohersteller hätten sie nicht überleben können", sagt
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Für Opel bedeute die Zugehörigkeit zum
Stellantis-Konzern relative Sicherheit und Anschluss an moderne Technologien.
"Sie können so zeitgemäße Autos anbieten."

Sein Kollege Bratzel spricht bei der Übernahme durch PSA von einem
"Glücksfall" für Opel. Wenn es gelinge, die Modellentwicklung auf Basis der
Stellantis-Plattformen mit attraktivem Design zu verbinden, habe Opel im Zuge
der Elektromobilität gute Überlebenschancen.

Die Zukunft: elektrisch

Zum Jubiläum verweist Opel-Chef Florian Hüttl darauf, dass in jeder
Fahrzeugreihe mindestens ein rein elektrisches Modell angeboten werde. Mit einem
Absatzplus von 15 Prozent ist Opel 2023 so stark gewachsen wie seit 20 Jahren
nicht mehr. Weltweit konnten die Verkäufe auf rund 670 000 Fahrzeuge gesteigert
werden, die höchste Zulassungszahl seit vier Jahren. Die Verkäufe außerhalb
Europas zogen um 62 Prozent auf mehr als 100 000 Fahrzeuge an. Auf dem deutschen
Heimatmarkt schloss man das Jahr 2023 mit einem Marktanteil von 5,3 Prozent ab,
in Großbritannien und der Türkei sind es sogar 6 Prozent.

Neue Modelle ab 2025 nur noch mit Batterie

Zum Festakt kündigt Huettl einen noch entschiedeneren Kurs hin zur
Elektromobilität an: "Ab 2025 wird jedes neue Opel-Modell rein
batterie-elektrisch sein. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Ziel des
Stellantis-Konzerns, bis 2038 CO2-neutral zu sein. Wir liefern deutsche
Ingenieurskunst für alle. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die wir natürlich
fortschreiben wollen - bis 2030 und deutlich darüber hinaus."

Dudenhöffer sieht die Opel-Zukunft etwas problematischer: "Stellantis hat
langfristig das Problem, dass sie auf dem chinesischen Markt keine Rolle
spielen." Schon 2030 würden die dortigen Stückzahlen die zusammengefassten
Märkte der USA und Europa übertreffen. "Wer nicht in China ist, ist eigentlich
nicht im Autogeschäft." Der Bestand der deutschen Fabriken sei auch deswegen
keineswegs auf ewig gesichert, denn der als Kostenkiller berühmte
Stellantis-Chef Carlos Tavares entscheide allein auf der Grundlage von
Controlling-Zahlen. Der knallharte Portugiese wird zum Jubiläum ebenfalls
erwartet./ceb/DP/zb

--- Von Christian Ebner, dpa ---
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