18.06.2024 12:30:50 - dpa-AFX: POLITIK/Bericht: Israels Armee erhielt vor 7. Oktober Geheimdienstwarnungen

TEL AVIV (dpa-AFX) - Mehr als zwei Wochen vor dem Hamas-Terrorangriff auf
Israel am 7. Oktober gab es laut einem Medienbericht deutliche Warnungen des
Militärgeheimdienstes. Der öffentlich-rechtliche Kan-Sender berichtete am
Dienstag, Pläne der islamistischen Hamas, Militärbasen und zivile Ortschaften im
Grenzgebiet anzugreifen, seien bekannt gewesen.

Soldaten der angesehene Elite-Geheimdiensteinheit 8200 hätten in einem am
19. September 2023 innerhalb der Gaza-Division verbreiteten Brief das Training
der Hamas für ein Eindringen in Militäreinrichtungen beschrieben. Auch vor
Plänen der Hamas, 200 bis 250 Israelis zu entführen, darunter Frauen und Kinder,
sei gewarnt worden. Die Warnungen seien jedoch von den Vorgesetzten ignoriert
worden. In der Gaza-Division sei man davon ausgegangen, dass im schlimmsten Fall
mehrere Dutzend Terroristen an drei Stellen nach Israel vordringen könnten. Ein
israelischer Armeesprecher sagte am Dienstag, man prüfe den TV-Bericht.

Ein Militärkorrespondent von Kan erklärte: "Das Sicherheitssystem strebte
damals nach einer Befriedung des Gazastreifens, mithilfe einer Verbesserung der
Lebensumstände der Zivilbevölkerung, Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser und
der Aufhebung von Warenbeschränkungen."

Vor dem 7. Oktober habe die Armee sich vor allem auf die Sperranlage an der
Grenze zum Gazastreifen verlassen, die auch bis tief in die Erde reicht. "Am 7.
Oktober ist alles zusammengebrochen", sagte der Korrespondent. Ranghohe
Mitglieder der Gaza-Division hätten offenbar mit Geringschätzung auf die
Geheimdienstwarnungen reagiert. "Niemand hat auf den Tisch gehauen und Alarm
ausgerufen."

Ein Soldat, der an der Ausarbeitung des Dokuments beteiligt gewesen sei,
habe angesichts des Massakers am 7. Oktober rückblickend geschrieben: "Ich
möchte am liebsten weinen, schreien und fluchen."

Der Kommandeur der Gaza-Division hatte vor gut einer Woche seinen Rücktritt
erklärt. "Am 7. Oktober bin ich an der Aufgabe meines Lebens, das
Gaza-Grenzgebiet zu schützen, gescheitert", schrieb Brigadegeneral Avi
Rosenfeld.

Im April hatte bereits der Chef des Militärgeheimdienstes, Aharon Chaliva,
seinen Rücktritt erklärt. Auch Israels Verteidigungsminister Joav Galant und der
Chef des Inlandsgeheimdienstes, Ronen Bar, hatten Verantwortung dafür
übernommen, dass der blutige Terrorangriff mit mehr als 1200 Toten und mehr als
250 Entführten passieren konnte. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat
dagegen noch keine persönliche Verantwortung übernommen. Zuletzt waren die
Spannungen zwischen der politischen und militärischen Führung Israels im Streit
um die Schuldfrage deutlich gestiegen./le/DP/jha

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