05.06.2024 17:48:42 - dpa-AFX: HINTERGRUND 2: Neuer All-Inclusive-Boom? Preise locken Deutsche in die Türkei

(neu: Zeitraum und Zahl deutscher Urlauber im siebten Absatz)

ANTALYA (dpa-AFX) - Es ist nicht einmal Hauptsaison, aber im türkischen
Antalya sind die Strandliegen vor den großen Hotels im Ort Aksu bereits gut
belegt. Die Tourismusbranche der Urlaubsregion jubelt einem Rekord entgegen: So
viele Deutsche wie noch nie sollen in diesem Jahr nach Antalya reisen,
prognostiziert der lokale Tourismusverband Aktob. Nicht trotz, sondern wegen
knapper Reisekassen und Inflation.

Die Türkei ist seit Jahren Favorit deutscher Urlauber, aber verglichen mit
der Zeit vor der Pandemie hat die Bedeutung nun noch zugenommen. "Der
Umsatzanteil für die Region Griechenland und Türkei steigt für den kommenden
Sommer gegenüber 2019 von 36 auf 44 Prozent", heißt es vom Deutschen
Reiseverband (DRV). Ende März habe die Türkei allein bereits ein
überproportionales Wachstum von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr für die
Sommersaison gezeigt.

"Die Türkei hat ein umfassendes Angebot, gerade an All-Inclusive-Angeboten,
was in Zeiten von Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten besonders
attraktiv ist", so der DRV. Und darauf fällt die Wahl der meisten: Die Mehrheit
der Deutschen in Antalya wählten Einrichtungen, die ein All-Inclusive-Angebot
hätten, sagt ein Sprecher des türkischen Tourismusverbands Türsab.

Ein Grund für Türkei-Boom: Hohe Kaufkraft des Euro

Dazu gehört auch Familie Nill aus der Nähe von Tübingen: Nach einer Woche
Pauschalurlaub in Antalya steht die Familie zur Rückreise am Flughafen bereit,
das Hotelbändchen noch um die Handgelenke. Die vierköpfige Familie hat
verglichen, die Türkei habe beim Preis-Leistungs-Verhältnis gesiegt. Die
Freundinnen Desiré und Natalie aus Würzburg sind mit drei Kindern angereist und
schätzen das familienfreundliche Angebot und die Qualität der Produkte. Das
bekomme man anderswo nicht zu dem Preis, sagen sie.

"Die Türkei hat in diesem Jahr, was die Suchanfragen angeht, sogar
Frankreich überholt", sagt Susanne Dopp, Sprecherin der Reiseplattform Expedia.
Das Land sei ab Deutschland sehr gut zu erreichen. "Es gibt zahlreiche
Direktflüge, sogar von kleineren Flughäfen wie Bremen, Saarbrücken oder Dresden
aus." Zudem könnten Reisende aus einer großen Bandbreite an Unterkunftsarten
wählen. Die meistgenutzten Filter, die Türkei-Interessentinnen und
-Interessenten aus Deutschland auf Expedia nutzten, seien "All-inclusive", "5
Sterne" sowie "Frühstück inbegriffen". Ein weiterer Faktor dürfe aber auch die
hohe Kaufkraft des Euro sein.

Türkei will 2024 sieben Millionen deutsche Urlauber beherbergen

Auch in der Türkei sind die Preise gestiegen: Im Mai lag die türkische
Inflation im Vorjahresvergleich bei 75 Prozent. Die Preise in Hotels und
Restaurants waren im Schnitt in der Landeswährung knapp 92 Prozent höher als im
Mai 2023. Im gleichen Zeitraum hat die Lira im Vergleich zum Euro aber etwa die
Hälfte ihres Werts verloren - auch in Euro sind die Preise also gestiegen, aber
deutlich weniger stark. "Für Menschen in der Türkei ist der Urlaub damit in
vielen Hotels in Antalya unerschwinglich geworden", sagt Kemal Birdir, Professor
an der Fakultät für Touristik an der Universität Mersin. Die vielen russischen
und deutschen Urlauber könnten bei den Preisen jedoch mithalten und füllten die
Hotels.

Tourismus-Minister Nuri Ersoy will in diesem Jahr sieben Millionen Touristen aus Deutschland ins Land locken. 2023 haben bereits 6,2 Millionen Deutsche
Urlaub in der Türkei gemacht, 3,3 Millionen davon laut der staatlichen
Nachrichtenagentur Anadolu in Antalya. In diesem Jahr rechnet der Verband Aktob
in der Saison allein in Antalya mit vier Millionen Deutschen. Sollte diese
Prognose wahr werden, wären das laut Aktob so viele wie noch nie. Der Tourismus
in der Türkei hat sich auf dem Papier schon von der Pandemie erholt, im letzten
Jahr lagen die Besucherzahlen bereits über den von 2019.

Kritik am zunehmenden Massentourismus

"Deutschland wurde zur treibenden Kraft des Massentourismus hier", sagt
Aktob-Chef Kaan Kavalo?lu der dpa. Stimmen dagegen, wie es sie derzeit an
anderen Urlaubsorten gibt, existierten in Antalya nicht. "Sowohl unsere
Branchenvertreter als auch unsere Bürger in den Tourismusregionen sind mit der
touristischen Aktivität äußerst zufrieden", teilt Türsab auf Nachfrage mit.
Dabei ächzt auch die Region am Mittelmeer unter der Last der Touristen.

Dass es keinen großen Widerstand gibt, liegt auch daran, dass der Tourismus
in Antalya landesweit von Bedeutung ist, sagt der Universitätsprofessor Kemal
Birdir. In der Provinz Antalya allein gebe es mehr Fünf-Sterne Hotels als in
ganz Spanien. Damit geht eine riesige Nachfrage nach Arbeitskräften einher. "In
den Sommermonaten migrieren Arbeiter aus dem ganzen Land in die Region, um dort
in der Tourismusindustrie zu arbeiten. Für ein Dorf im Südosten etwa kann es
eine große wirtschaftliche Veränderung bedeuten, Arbeiter dorthin zu schicken,
die dann ihre Familien unterstützen." Drei Millionen Menschen arbeiteten in der
Sommersaison landesweit im Tourismussektor, das seien rund elf Prozent aller
Arbeitskräfte. Im Schnitt gab jeder der 56 Millionen Touristen im vergangenen
Jahr ungefähr 900 Euro in der Türkei aus.

Aber ein Wandel in der extrem ressourcenintensiven Industrie im Land sei
unvermeidbar, sagt Birdir. "Auf der ganzen Welt wächst die Kritik am
Massentourismus", auch die Türkei müsse Maßnahmen ergreifen. "Werden keine
Nachhaltigkeitsinitiativen ergriffen, sind viele der Ziele in Zukunft nicht mehr
bereisbar." Einige Hotels hätten sich bereits Nachhaltigkeitsinitiativen
angeschlossen. Aber gerade vor dem Hintergrund der schwachen Lira und der
Inflation im Land sei der Tourismus eine beliebte Einkommensquelle: "Er
funktioniert völlig ohne Importe und mit lokalen Ressourcen."/apo/DP/stw

--- Anne Pollmann, dpa ---
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