24.06.2024 12:49:44 - dpa-AFX: EM 2024/Die EM im 'Sommer der Liebe'?: Partystimmung auf den Straßen

BERLIN (dpa-AFX) - Sie hüpfen im nächsten Holland-Urlaub nach der
Aufforderung, ein Stück nach links zu rücken, reflexartig wieder nach rechts?
Kein Problem! Sie denken während einer völlig losgelösten 80er-Party plötzlich
an den zufriedenen Bundestrainer Julian Nagelsmann? Ebenfalls normal! Schuld an
den neuen Marotten sind dann die ersten zehn Tage der Fußball-EM mit
erstaunlicher Stimmung. Steckt Deutschland schon im Sommermärchen 2.0?

Am Sonntagabend verfolgten weit über 100 000 Menschen auf den Fanmeilen der
Städte das Deutschland-Spiel gegen die Schweiz. Riesige Fahnen,
schwarz-rot-goldene Schminke, pinkfarbene Trikots - nach Jahren der
Turniertristesse während Corona und weit weg in Katar wieder völlig normal. "Das
ist ein schönes Gefühl", sagte Nagelsmann. Der Nationalmannschaft werden ab und
an Zusammenschnitte der Party in den Fanzonen vorgespielt.

Über 25 Millionen Menschen vor den Bildschirmen

Das 1:1 mit dem späten Tor von Niclas Füllkrug, das mit jenem
stimmungslösenden Treffer von Oliver Neuville beim Sommermärchen 2006 im zweiten
Gruppenspiel gegen Polen verglichen wurde, verfolgten allein in der ARD im
Schnitt 25,566 Millionen Menschen. Weit über ein Viertel der deutschen
Bevölkerung - völlig normal?

In Zeiten von Kriegen und Krisen war vor dem Turnier nicht unbedingt mit dem größten Zuspruch zu rechnen gewesen. Bilder der WM 2006 schienen aus der Zeit
gefallen, erst recht, weil nationale Feierei in den vergangenen Jahren von
Rechten okkupiert worden war. Und jetzt: "Während wir uns in Europa über alles
und jeden streiten, ist die EM erst einmal ein Sommer der Liebe, wie die
Deutschen so schön sagen", schrieb die niederländische Regionalzeitung "De
Twentsche Courant Tubantia".

"Naar links! Naar rechts!"

Die Oranje-Fans zogen vor ihren EM-Partien durch die deutschen Städte und
sangen fast schon hypnotisch ihr "Naar links! Naar rechts!". Auch von
internationalen Medien wurden die Fanmassen als Referenz genommen im ewig
schiefen Vergleich zur WM 2022 in Katar. Gefeiert worden war am Golf kaum von
europäischen Anhängern, was hierzulande weiterhin in schlechter Erinnerung ist.

Für die EM-Organisatoren sind die Bilder der großen Menschenmassen
beispielsweise am Brandenburger Tor, auf dem Hamburger Heiligengeistfeld oder am
Mainufer eine Art beruhigende Bestätigung. "Insgesamt sind wir sehr zufrieden,
wir spüren das auch bei den Gästen", sagte Turnierdirektor Philipp Lahm, der
seine eigene Verspätung mit der Deutschen Bahn zuletzt gelassen hinnahm.

Die infrastrukturellen Mängel im Land wurden in den EM-Tagen überdeutlich,
sie wurden aber nicht zum Partycrasher. Die Europäische Fußball-Union UEFA gibt
offiziell eine Vollauslastung der EM-Stadien an, nach erfolgreichen deutschen
Spielen mit einem lächelnden Nagelsmann wird Peter Schillings großer
80er-Jahre-Hit "Major Tom" in der jeweiligen Arena gespielt.

Bislang keine nennenswerten Zwischenfälle

Zur Wahrheit der - frei nach dem 68 Jahre alten Sänger - völlig losgelösten
Stimmung gehört auch, dass es sowohl in den Stadien als auch in den Fanzonen
bislang kaum nennenswerte Zwischenfälle gab. Die Polizei ist mit Großaufgeboten
im Einsatz, das Deutsche Rote Kreuz zog für die ersten EM-Tage ein positives
Zwischenfazit. Hässliche Plakate und Gesänge mit rechtsnationalem Inhalt kamen
zwar vor - aber nicht in Massen mit größerer internationaler Beachtung.

Der englische "Guardian" veröffentlichte am Montag eine Fotoreihe mit
Motiven "abseits der Action", die auch das friedliche Miteinander von Fangruppen
zeigen. "Die Fußballfans aus den unterschiedlichsten Nationen sorgen für eine
einmalige und außergewöhnliche Atmosphäre in der Stadt", teilten die
Organisatoren der Kölner Fanzonen mit.

Was zusätzlich hilft: Das Wetter in Deutschland wird besser. Der Deutsche
Wetterdienst teilte am Montag bei X das "UEFAEuro2024"-Wetter für die Spiele in
Düsseldorf und Leipzig mit. Vorhergesagt wurden "angenehme Temperaturen" zum
Anpfiff.

Steigerung möglich

"Wir wünschen uns natürlich, dass Deutschland weit kommt, dass das Wetter
nun sommerlich bleibt", schrieben die Fanzonen-Organisatoren in Hamburg. Denn
noch scheint Luft nach oben: Bei der Vor-Corona-EM 2016, bei der die DFB-Auswahl
im Halbfinale ausschied, waren noch deutlich mehr Menschen auf den Straßen
unterwegs. Nach dem 0:2 der DFB-Auswahl gegen Gastgeber Frankreich war die Party
dann aber schnell vorbei./mj/DP/mis

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