21.05.2024 08:14:20 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Zweiter Terrorprozess um Gruppe Reuß beginnt

FRANKFURT (dpa-AFX) - Sie sollen einen gewaltsamen Umsturz mit Sturm auf den
Bundestag geplant haben: An diesem Dienstag beginnt in Frankfurt am Main der
zweite Terrorprozess gegen die "Reichsbürger"-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz
Reuß. Der 72-Jährige ist als ein mutmaßlicher Rädelsführer angeklagt, er muss
sich gemeinsam mit acht weiteren Männern und Frauen vor dem Oberlandesgericht
verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, Mitglieder in
einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese
unterstützt zu haben. Unter ihnen befinden sich Ex-Bundeswehrsoldaten sowie eine
ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete.

Das Verfahren ist das zweite von drei Mammutprozessen gegen die Gruppe von
"Reichsbürgern": Ende April hatte in Stuttgart der Prozess gegen mutmaßliche
Vertreter des militärischen Arms begonnen. In München stehen ab dem 18. Juni die
übrigen mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe vor Gericht. Die mutmaßlichen
Verschwörer waren bei einer großangelegten Anti-Terror-Razzia im Dezember 2022
aufgeflogen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) teilte mit: "Es ist gut, dass sich
ab heute auch die mutmaßlichen Rädelsführer der bislang größten Terrorgruppe von
"Reichsbürgern" vor Gericht verantworten müssen. Die Strafprozesse an drei
Oberlandesgerichten gleichzeitig haben eine neue Dimension." Es handle sich bei
den Angeklagten nicht um harmlose Spinner, sondern um gefährliche
Terrorverdächtige. "Unsere Sicherheitsbehörden werden ihr hartes Vorgehen
fortsetzen, bis wir militante "Reichsbürger"-Strukturen vollständig offengelegt
und zerschlagen haben. Keiner in dieser extremistischen Szene sollte sich sicher
fühlen."

Ab August 2021 plante und bereitete sich die Gruppe laut Anklage auf einen
Umsturz an "Tag X" vor. Konkret hätte eine bewaffnete Gruppe in das
Reichstagsgebäude in Berlin eindringen sollen, um dort Abgeordnete des
Bundestags festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen. Man habe bei
den Plänen bewusst Tote in Kauf genommen. Für die Pläne standen laut
Bundesanwaltschaft rund 500 000 Euro und ein massives Waffenarsenal zur
Verfügung.

Die Anklage lautet teils auch auf Vorbereitung eines hochverräterischen
Unternehmens. Konkrete Vorbereitungen wie die Rekrutierung militärischen
Personals hätten stattgefunden. Die Angeklagten habe eine tiefe Ablehnung der
staatlichen Institutionen und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung
verbunden, hieß es von der Bundesanwaltschaft: "Sie folgten einem Konglomerat
aus Verschwörungsmythen."

Eigene Staatsordnung ausgearbeitet

In Frankfurt stehen die mutmaßlichen Rädelsführer vor Gericht, Reuß sowie
Rüdiger von Pescatore, der den militärischen Arm der Gruppe geleitet haben soll.
Strukturen für eine eigene Staatsordnung sollen in Grundzügen ausgearbeitet
gewesen sein, als Staatsoberhaupt hätte Reuß fungieren sollen. Für das Ressort
Justiz hätte die ehemalige Berliner Richterin und frühere
AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann zuständig sein sollen, die
ebenfalls zu den Frankfurter Angeklagten zählt. Die sogenannten Reichsbürger in
Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Die
Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an.

Für den Ausnahmeprozess gelten strengste Sicherheitsvorkehrungen. Am
Stadtrand von Frankfurt wurde eigens eine Leichtbauhalle aus Metall mit rund
1300 Quadratmeter Fläche aufgebaut. Neben den neun Angeklagten werden fünf
Richter, zwei Ergänzungsrichter und 25 Verteidiger im Prozess dabei sein. Rund
260 Zeugen sollen geladen werden. Die Dokumente zum Prozess sind laut dem
Gericht in 801 Stehordnern abgelegt.

Statt der ursprünglich zehn Angeklagten treten in Frankfurt neun mutmaßliche "Reichsbürger" vor die Richter. Norbert G. verstarb im März in einer Klinik, wie
eine Sprecherin des Oberlandesgerichts mitteilte.

Den Übrigen drohen laut Gericht bis zu zehn Jahre Haft, wenn sie in einem
Anklagepunkt schuldig gesprochen werden. Im Falle mehrerer Schuldsprüche und
einer Gesamtstrafe stünden maximal 15 Jahre Haft zu Buche. Für die Beschuldigten
gilt bis zu einem etwaigen Urteil die Unschuldsvermutung./lfo/DP/zb

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