19.06.2024 07:46:39 - dpa-AFX: WDH/ROUNDUP: Innenminister beraten über Abschiebungen - Protest-Demo in Potsdam

(Wochentag im 7. Absatz geändert. Die Demonstration ist für Donnerstag und
nicht für Mittwoch geplant.)

POTSDAM (dpa-AFX) - Nach zwei tödlichen Messerangriffen bestimmt die
Migrations- und Asylpolitik die Innenministerkonferenz (IMK) in Potsdam. Bei dem
an diesem Mittwoch beginnenden Treffen geht es auch um die umstrittene
Forderung, Schwerkriminelle und islamistische Gefährder nach Syrien und
Afghanistan abschieben zu können. Der Vorsitzende der IMK, Brandenburgs
Innenminister Michael Stübgen (CDU), verlangt von der Bundesregierung, es
müssten nach der Ankündigung nun "Fakten" folgen.

Stübgen hält auch Verhandlungen mit den in Afghanistan herrschenden Taliban
für vertretbar. Zudem habe sich die Sicherheit in Syrien verbessert,
argumentiert er. Auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) wirbt für
Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. "Wer hier schwere Straftaten begeht,
muss das Land verlassen, auch wenn er beispielsweise aus Afghanistan kommt",
sagte der Sprecher der SPD-geführten Länder in der IMK der Deutschen
Presse-Agentur. Hier wiege das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als
das Schutzinteresse des Täters.

Am vergangenen Freitagabend wurde ein Afghane in Wolmirstedt nicht weit von
Magdeburg entfernt von Beamten erschossen. Er soll einen 23-jährigen Landsmann
erstochen und dann auf einer privaten EM-Gartenparty mehrere Menschen verletzt
haben. In Mannheim hatte am 31. Mai ein Afghane fünf Mitglieder der
islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizeibeamten mit einem Messer
verletzt. Der Polizist starb.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte anschließend angekündigt, die
Abschiebung von Schwerstkriminellen und sogenannten Gefährdern nach Afghanistan
und Syrien wieder ermöglichen zu wollen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser
prüft, wie das auch ohne eine Wiederaufnahme von Beziehungen zu den regierenden
Taliban in Afghanistan beziehungsweise der Regierung von Syriens Präsident
Baschar al-Assad funktionieren könnte.

Faeser will über vertrauliche Gespräche berichten

Faeser will ihre Länderkollegen in Potsdam darüber informieren, wie weit die Bemühungen ihres Hauses gediehen sind. "Wir verhandeln vertraulich mit
verschiedenen Staaten, um Wege zu eröffnen, über die Abschiebungen nach
Afghanistan wieder möglich werden", sagte die SPD-Politikerin der "Neuen
Osnabrücker Zeitung". Bereits am Dienstag hatte sie über entsprechende
Anstrengungen ihres Ministeriums berichtet. Was Afghanistan betrifft, gibt es
dazu inzwischen Kontakte zu den Behörden in Usbekistan. Auch für Syrien gelte,
"wir reden mit Nachbarländern", sagt sie.

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) fordert den
umgehenden Stopp des Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Menschen aus
Afghanistan. Mehrere Länder verlangen eine Verschärfung des Waffenrechts und
eine Ausweitung von Waffenverbotszonen. Auch Faeser will das Waffenrecht erneut
reformieren. Einige ihrer Vorschläge stoßen jedoch auf Widerstand des
Koalitionspartners FDP.

Flüchtlings-Organisationen wollen am Donnerstag (17.00 Uhr) während der IMK
in Potsdam gegen eine verschärfte Migrationspolitik protestieren. "Geflüchtete
Menschen brauchen Schutz - keine rassistische Hetze", heißt es in einem Appell.

Die Länder verlangen darüber hinaus weitere Anstrengungen, um irreguläre
Migration einzudämmen. Sie sehen vor allem Faeser in der Pflicht, auch was
weitere Abkommen mit Herkunftsländern angeht, die bei der Rücknahme
ausreisepflichtiger Staatsbürger aus Deutschland bislang schlecht oder gar nicht
kooperieren.

"Bislang zögert der Bund noch immer, sich um Migrationsabkommen mit den für
Rückführung wirklich bedeutsamen Herkunftsländern wie zum Beispiel Ägypten,
Elfenbeinküste, Gambia zu kümmern", kritisierte Zieschang. Der Bund müsse
Gespräche mit diesen Staaten führen, damit diese bei der Identifizierung,
Passersatz-Erteilung und Rückführung ihrer Staatsangehörigen künftig
kooperierten.

Strafverschärfung nach Angriffen auf Politiker gefordert

Bei ihrer dreitägigen Konferenz wollen die Landesinnenminister mit Faeser
auch über das Vorgehen gegen Extremisten und eine mögliche Strafverschärfung bei
Angriffen auf Politiker beraten. Die Ergebnisse werden am Freitag vorgestellt.

Als Folge zunehmender Bedrohungen und Angriffe auf Politiker und Wahlkämpfer schlagen Innenminister vor, das Strafrecht zu verschärfen. Das
Bundesjustizministerium bewertet dies jedoch skeptisch. Brandenburgs Ressortchef
Stübgen sagte: "Wenn jemand einen Politiker angreift, und das sind auch
ehrenamtliche Politiker, greift er das gesamte System an." Vor den Europa- und
Kommunalwahlen hatten sich Angriffe auf Politiker gehäuft. Der Dresdner
SPD-Politiker Matthias Ecke war im Mai brutal zusammengeschlagen worden.

Mehr Investitionen in Bevölkerungsschutz angemahnt

Angesichts einer veränderten Bedrohungslage seit dem russischen
Angriffskrieg auf die Ukraine steht auch eine Stärkung des Bevölkerungsschutzes
auf der Tagesordnung der IMK. Die Länder nannten einen Investitionsbedarf von
zehn Milliarden Euro in zehn Jahren, um die Bevölkerung vor Katastrophen und
Krisen besser schützen zu können. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)
verlangt von der Bundesregierung rasch ein neues, umfassendes Konzept zum Zivil-
und Katastrophenschutz. Die Länder sind für den Katastrophenschutz zuständig,
der Bund trägt die Verantwortung für den Zivilschutz im
Verteidigungsfall./abc/DP/zb

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