16.05.2024 15:59:22 - dpa-AFX: ROUNDUP: Slowakischer Regierungschef Fico nach Attentat weiter in Lebensgefahr

BRATISLAVA (dpa-AFX) - Nach dem Attentat auf den slowakischen Regierungschef
Robert Fico schwebt der Politiker weiter in Lebensgefahr. Den Ärzten gelang es
zwar, den 59-Jährigen zu stabilisieren, sein Zustand war am Donnerstag aber
weiter ernst. Gegen den mutmaßlichen Attentäter wurden Ermittlungen wegen
vorsätzlichen Mordes aufgenommen. Mit Blick auf die Europawahl im Juni mahnten
die scheidende Präsidentin und ihr gewählter Nachfolger, den Wahlkampf vorerst
auszusetzen oder zumindest den Ton zu mäßigen.

Der 59-Jährige Fico war am Mittwoch in der Kleinstadt Handlova von einem
Rentner niedergeschossen worden. Schwer verletzt wurde er nach Banska Bystrica
geflogen, wo er sich im Krankenhaus einer fünfstündigen Notoperation unterziehen
musste. Zuvor sei ein CT-Scan gemacht worden, sagte Krankenhausdirektorin Miriam
Lapunikova. Die Folgen seiner Schussverletzungen könnten eine Genesung
erschweren, sagte Lapunikova weiter.

In Bratislava kam am Donnerstag der slowakische Sicherheitsrat zu einer
Sondersitzung zusammen. Verteidigungsminister Robert Kalinak sagte anschließend,
Ficos Zustand sei "weiter ernst". Der Regierungschef sei von vier Kugeln
getroffen worden, die Verletzungen seien sehr schwerwiegend. "Den Ärzten ist es
gelungen, den Zustand zu stabilisieren", sagte Kalinak. Fico sei aber noch nicht
außer Lebensgefahr. "Wir haben eine schwere Nacht hinter uns", sagte Kalinak,
der in seiner Funktion als Vize-Regierungschef Fico im Amt vertritt.

Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 71-Jährigen aus der
Kleinstadt Levice, rund 78 Kilometer südlich von Handlova. Gegen ihn werde wegen
versuchten Mordes ermittelt, sagte Innenminister Matus Sustaj Estok. Es handele
sich bei dem Mann um einen "einsamen Wolf", der mit der politischen Entwicklung
in der Slowakei unzufrieden sei. Der Innenminister sprach erneut von einem
politisch motivierten Angriff. Er sei jedoch kein Mitglied einer radikalisierten
politischen Gruppierung, weder einer rechten noch einer linken.

Zudem prüfen die Behörden, ob Ficos Personenschützer den Regierungschef
nicht ausreichend geschützt haben. Entsprechende Ermittlungen "wegen Behinderung
der Aufgaben eines Amtsträgers" seien bereits am Mittwoch eingeleitet worden,
sagte eine Behördensprecherin der Nachrichtenagentur TASR. Mehrere slowakische
Experten kritisierten die Sicherheitsvorkehrungen. Sie rügten unter anderem,
dass die Leibwächter unmittelbar nach dem Attentat chaotisch vorgegangen seien.

Unterdessen luden die scheidende Staatspräsidentin Zuzana Caputova und ihr
gewählter Nachfolger Peter Pellegrini die politischen Parteien zu gemeinsamen
Gesprächen ein. "Lassen Sie uns aus dem Teufelskreis des Hasses und der
gegenseitigen Beschuldigungen aussteigen", appellierte Caputova am Donnerstag in
Bratislava. Der Anschlag sei zwar eine individuelle Tat gewesen. "Aber die
angespannte Atmosphäre des Hasses war unser gemeinsames Werk." Pellegrini rief
die politischen Parteien auf, ihren Wahlkampf vor der Europawahl am 9. Juni
vorerst auszusetzen oder zumindest einzuschränken, bis sich die Lage beruhigt
habe.

Die Polizei drohte mit harten Strafen für Beiträge im Internet, "die das
Verbrechen gutheißen und Hass verbreiten". Die Behörden hätten den digitalen
Diskussionsraum genau im Blick, betonte die slowakische Polizei auf Facebook.
Innenminister Sutaj Estok rief Medien und Öffentlichkeit zur Mäßigung auf und
warnte davor, Öl ins Feuer zu gießen. "Man sollte sich sehr gut überlegen, ob es
richtig ist, von der Tastatur aus jemandem den Tod zu wünschen oder öffentlich
das Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten gutzuheißen", mahnte er.
Die Polizei habe bereits 32 Fälle von Personen registriert, welche die Tat in
den sozialen Medien gutgeheißen hätten./dhe/DP/men

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