14.05.2024 16:05:58 - dpa-AFX: ROUNDUP/Scholz zur Wehrpflicht: Personalmangel 'überschaubare' Aufgabe

STOCKHOLM (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zurückhaltend zu
einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht geäußert. Bei einem Besuch in
Schweden, wo der Pflichtdienst bei der Armee vor sieben Jahren reaktiviert
wurde, bezeichnete der SPD-Politiker den Personalmangel bei der Bundeswehr am
Dienstag als "überschaubare" Aufgabe.

"Es geht letztendlich darum, wie können wir es erreichen, dass wir genügend
Frauen und Männer davon überzeugen, in der Bundeswehr zu arbeiten und dort eine
Aufgabe für sich zu finden", sagte Scholz nach einem Treffen mit dem
schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson in Stockholm. Damit signalisierte
er, dass er niemanden verpflichten will, zur Bundeswehr zu gehen.

Keine Rückkehr zur Wehrpflicht wie früher

Deutschland werde nicht zu einer Wehrpflichtarmee zurückkehren, wie es sie
bis zur Aussetzung der Wehrpflicht 2011 gegeben habe, betonte Scholz. "Das würde
nicht mehr funktionieren. Es waren viel mehr Soldaten, es waren viel mehr
Kasernen, es war viel mehr Infrastruktur, die dazu errichtet worden ist. Alles
das wird heute weder benötigt noch ist es der Plan, den irgendjemand verfolgt."

Die Bundeswehr soll bis 2031 von derzeit 182 000 auf 203 000 Soldaten
aufgestockt werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) prüft derzeit
eine Reaktivierung der Wehrpflicht, um den Personalmangel zu beheben. "Die
Vorschläge werden hin und her gewendet. Sie sind aber überhaupt nicht
vergleichbar mit dem, was wir in Deutschland mal hatten", sagte Scholz. "Deshalb
ist es auch gut, dass wir abwarten, bis da ein abgewogener Einfall da ist."

Guttenberg setzte Wehrpflicht vor 13 Jahren aus

Im Kalten Krieg gehörten der Wehrpflichtarmee Bundeswehr bis zum Mauerfall
fast 500 000 Soldaten an. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands ging die Zahl
kontinuierlich zurück. 2011 wurde die Wehrpflicht unter dem
CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt. Die CDU
beschloss vergangene Woche auf ihrem Parteitag, die Entscheidung "schrittweise"
zurücknehmen zu wollen.

Schweden hat die Wehrpflicht bereits 2017 wieder eingeführt, nachdem sie
dort 2010 ausgesetzt worden war. "Natürlich trifft jedes Land seine eigene
Entscheidung, wie es Soldaten rekrutiert und einsetzt. Ich denke, für Schweden
haben wir ein Modell gefunden, das meiner Meinung nach geeignet ist", sagte
Kristersson bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz. "Kein Land hat ein
perfektes Model und jedes Land respektiert alle Länder, die verschiedene Modelle
aus verschiedenen historischen Gründen nutzen."

Schwedische Wehrpflicht vor allem Musterungspflicht

In Schweden werden längst nicht alle jungen Männer und Frauen aus einem
Jahrgang eingezogen. Nachdem zunächst alle einen Fragebogen von der
Musterungsbehörde bekommen, wird nur ein Teil von ihnen zur Musterung
eingeladen. Ein ausgewählter Kreis wiederum erhält dann am Ende Angebote für
einen Dienst. Es handelt sich also um eine Art Musterungspflicht. In sechs bis
15 Monaten bekommen die Rekrutinnen und Rekruten eine militärische Grund- und
Führungsausbildung.

Engere Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich

Scholz und Kristersson erweiterten bei ihrem Treffen auch die seit 2017
bestehende strategische "Innovationspartnerschaft", die nun auch in den
Bereichen Sicherheit, Verteidigung und neue Technologien zu einer engeren
Zusammenarbeit führen soll. Aufgrund der Verschlechterung der weltweiten
Sicherheitslage und des Beitritts Schwedens zur Nato sei eine Vertiefung des
Abkommens angemessen, heißt es in dem dazu am Dienstag unterzeichneten Dokument.
Dies werde "neue Möglichkeiten" für die Zusammenarbeit zum Beispiel im
Rüstungsbereich und bei der Cyberverteidigung bieten, sagte
Kristersson./mfi/mee/DP/men

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