17.05.2024 15:51:06 - dpa-AFX: GESAMT-ROUNDUP: Israel weist Völkermord-Vorwurf zurück - Schiffshilfe für Gaza

DEN HAAG/GAZA (dpa-AFX) - Israel hat Vorwürfe des Völkermords im
Gazastreifen vor dem Internationalen Gerichtshof energisch zurückgewiesen und
seinen Militäreinsatz in Rafah als Selbstverteidigung gegen die
Terrororganisation Hamas gerechtfertigt. Die von Südafrika vorgebrachten
Vorwürfe seien eine "Verdrehung der Wirklichkeit", sagte der Rechtsvertreter
Israels am Freitag vor dem höchsten UN-Gericht in Den Haag.

Für die dringend benötigten Hilfslieferungen in den Gazastreifen gibt es nun einen neuen Weg: Erstmals fuhren Lastwagen mit humanitären Gütern über eine
provisorische Anlegestelle des US-Militärs in das zerbombte Küstengebiet.

Rafah der "letzte Zufluchtsort"

Der südafrikanische Eilantrag vor dem UN-Gericht wendet sich speziell gegen
den seit fast zwei Wochen laufenden israelischen Militäreinsatz in Rafah. Die
Stadt im Süden des Küstenstreifens sei der "letzte Zufluchtsort für etwa 1,5
Millionen Menschen", erklärten Vertreter Südafrikas. Ihr Leben sei in Gefahr.
Die Richter müssten daher den Abzug Israels aus dem Gazastreifen anordnen und
den "andauernden Völkermord" an der palästinensischen Bevölkerung stoppen.

Die israelischen Vertreter widersprachen vehement und sagten, Rafah sei ein
"militärisches Bollwerk der Hamas", die Israel mit Raketen beschieße. Auch halte
die Hamas noch immer zahlreiche Geiseln fest, die am 7. Oktober bei einem
Überfall aus Israel verschleppt wurden. Israel sorge zudem für humanitäre Hilfe
und tue alles zum Schutz der Zivilbevölkerung.

Am Ende der Anhörung wurde eine Rechtsvertreterin Israels durch einen
Zwischenruf unterbrochen. "Lügner", rief eine Frau. Sie wurde von
Sicherheitsmitarbeitern aus dem Saal des Friedenspalasts geführt.

Wann das Gericht über den Eilantrag entscheiden wird, steht nicht fest. Das
Hauptverfahren zum Völkermordvorwurf wird sich über Jahre hinziehen.

Neue Anlegestelle - 90 Lkw-Ladungen Hilfsgüter pro Tag

Erst am Donnerstag hatte das US-Militär den schwimmenden Pier an der Küste
verankert, über den nun Lastwagen von Schiffen über den Strand in den
Gazastreifen fahren können. Hintergrund ist, dass es im Gazastreifen bislang
keinen Hafen gibt, der tief genug für größere Frachtschiffe ist. Nach
Pentagon-Angaben sollen über die provisorische Anlegestelle zunächst etwa 90
Lkw-Ladungen pro Tag in den Gazastreifen gelangen. Zu einem späteren Zeitpunkt
erwarte man bis zu 150 Lkw-Ladungen täglich.

Geplant ist, dass Frachter Hilfslieferungen von Zypern aus zunächst zu einer schwimmenden Plattform einige Kilometer vor der Küste bringen. Etwas kleinere
Schiffe legen dann mit den beladenen Lkw an dem Pier an. Dort werden die
Hilfslieferungen von Hilfsorganisationen entgegengenommen und verteilt. Hunderte
Tonnen Hilfsgüter stünden auf Schiffen im östlichen Mittelmeer zur Auslieferung
bereit, sagte Admiral Brad Cooper vom US-Zentralkommando.

Heftige Kämpfe auch im Norden des Gazastreifens

Die Verteilung von Lebensmitteln ist schwierig, weil vielerorts gekämpft
wird. Die israelische Armee gab an, etwa ihre Angriffe gegen die Hamas und
andere bewaffnete Gruppen im Norden des Gazastreifens verstärkt zu haben. Am
frühen Morgen bombardierten Kampfflugzeuge und andere Fluggeräte Waffenlager der
Hamas in dem Flüchtlingsviertel Dschabalia, wie die Armee mitteilte. In der
Folge seien israelische Truppen ins Zentrum vorgedrungen, wo sie sich Kämpfe mit
Terroristen geliefert hätten. In den letzten Tagen seien rund 60 Terroristen
getötet und von ihnen genutzte Infrastruktur zerstört worden. Ein israelischer
Soldat erlitt nach Armeeangaben schwere Verletzungen.

Bewohner des Flüchtlingslagers beschrieben den israelischen Angriff als
ungewöhnlich heftig. Er habe sich auch gegen Wohnhäuser und eine mit
Flüchtlingen überfüllte Schule gerichtet. Den Darstellungen zufolge, die sich
nicht unabhängig überprüfen ließen, würden die Toten auf die Straße geworfen.

Auch setzte das Militär seinen Einsatz in Rafah fort. Im Osten der Stadt
zerstörten die Truppen eine Raketenabschussstellung der Islamisten, wie die
Armee mitteilte.

Baerbock: "Brauchen zunächst humanitäre Feuerpause"

Außenministerin Annalena Baerbock äußerte sich zurückhaltend zur Forderung
der Arabischen Liga nach einer UN-Schutztruppe im Gazastreifen. "Dafür braucht
es aber zunächst eine humanitäre Feuerpause", sagte die Grünen-Politikerin am
Freitag vor einer Sitzung des Ministerkomitees des Europarats im französischen
Straßburg.

Eine solche Feuerpause müsse endlich dafür sorgen, dass alle festgehaltenen
Geiseln freikommen, das Leid der Menschen in Gaza gelindert werde "und dass wir
auf einen politischen Pfad kommen können, wo die internationale Gemeinschaft, wo
Schlüsselakteure sicherlich auch eine wichtige Rolle für die Sicherheit
übernehmen müssen", ergänzte Baerbock. "Ansonsten wird das Drehbuch der
Terroristen immer, immer weiter aufgehen. Und das wäre fatal für die Menschen in
Gaza. Es wäre ebenso fatal für die Menschen in Israel."/ab/DP/men

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