23.05.2024 13:06:36 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Steinmeier sieht 'härtere Jahre' kommen

BERLIN (dpa-AFX) - Zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes hat Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier die Menschen in Deutschland auf schwierigere Zeiten
eingestellt und zugleich ihren Willen zur Selbstbehauptung beschworen. Bei einem
Staatsakt in Berlin rief er dazu auf, die Errungenschaften von Freiheit und
Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen. "Unsere Demokratie ist wehrhaft.
Wer heute unsere liberale Demokratie bekämpft, muss wissen, dass er es dieses
Mal mit einer kämpferischen Demokratie und mit kämpferischen Demokratinnen und
Demokraten zu tun hat", sagte Steinmeier.

Der Bundespräsident betonte: "Für mich steht fest: Wir leben in einer Zeit
der Bewährung. Es kommen raue, auch härtere Jahre auf uns zu. Die Antwort darauf
können und dürfen nicht Kleinmut oder Selbstzweifel sein." Falsch wäre es auch,
von einer bequemeren Vergangenheit zu träumen oder täglich den Untergang des
Landes zu beschwören. Dies lähme nur. "Wir müssen uns jetzt behaupten - mit
Realismus, mit Ehrgeiz. Das ist die Aufgabe der Zeit. Selbstbehauptung ist die
Aufgabe unserer Zeit!"

Steinmeier wies in diesem Zusammenhang auf die Bedrohung durch Russland hin. Niemand wisse, wann der Machthunger von Kremlchef Wladimir Putin gestillt sei.
Für ihn sei zwingend: "Wir müssen mehr tun für unsere Sicherheit. Wir müssen in
unsere Verteidigung investieren. Wir müssen unser Bündnis stärken. Und wir
brauchen dafür die finanziellen Mittel." Es brauche aber auch eine starke
Gesellschaft. "Eine starke Gesellschaft, die um den Wert der Freiheit weiß und
die bereit ist, Bedrohungen der Freiheit entgegenzutreten, die um ihren
Zusammenhalt weiß." Militärische Sicherheit und gesellschaftliche
Widerstandskraft gehörten zusammen.

Die enormen Aufgaben, die zudem der Klimawandel, die soziale Sicherung und
die Wirtschaftskrise uns stellen, lösten neue Konflikte aus, sagte Steinmeier.
Hier warte aus seiner Sicht eine weitere größere Aufgabe: "Wir müssen uns darauf
einrichten: Wir werden in den nächsten Jahren nicht weniger Streit haben,
vielleicht eher mehr. Der Kampf um finanzielle Ressourcen wird härter werden,
und damit natürlich auch der Streit um das, was wichtig ist." Steinmeier rief
die demokratischen Parteien zur Zusammenarbeit auf, wo das gemeinsame Ganze
berührt oder bedroht sei. "Die Gemeinsamkeit der Demokraten - sie ist gefragt,
wenn die Demokratie angefochten ist."

An dem Festakt im Freien zwischen Reichstag und Kanzleramt nahmen die
Spitzen der fünf Verfassungsorgane teil. Neben dem Bundespräsidenten sind dies
die Präsidentinnen und Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und
Bundesverfassungsgericht - Bärbel Bas (SPD), Manuela Schwesig (SPD) und Stephan
Harbarth - sowie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Unter den rund 1100 Gästen
waren auch die früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel
(CDU) sowie Altbundespräsident Joachim Gauck. Für die Sicherheit und
Verkehrsführung sorgten rund 1000 Polizistinnen und Polizisten.

Steinmeier würdigte das Grundgesetz als ein "großartiges Geschenk" für
Deutschland nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, das im Alltag
gepflegt, bewahrt und verteidigt werden müsse. "Ich bin überzeugt: Diese
Verfassung gehört zu dem Besten, was Deutschland hervorgebracht hat." Inzwischen
sei sie einer der ältesten Verfassungen weltweit und Vorbild für viele andere
Verfassungen geworden. Die von den 61 Vätern und 4 Müttern des Grundgesetzes
geschaffene Verfassung sei der "Aufbruch in eine hellere Zukunft"
gewesen./sk/DP/ngu

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