27.05.2024 06:16:38 - dpa-AFX: Kein Durchmarsch für AfD bei Landratswahlen in Thüringen

ERFURT (dpa-AFX) - Die AfD hat in Thüringen bei den Landrats- und
Oberbürgermeisterwahlen im ersten Anlauf kein Spitzenamt ergattert. Die
Entscheidung wird in der Regel bei Stichwahlen fallen, bei denen sich
hauptsächlich CDU- und AfD-Bewerber duellieren. Bei den Wahlen der Kreistage und
Stadträte lagen beide Parteien nach Auszählung von über der Hälfte der
Stimmbezirke etwa gleichauf. Die Wahlen gelten als erster Stimmungstest für die
Landtagswahl im September. Die AfD liegt in thüringenweiten Umfragen seit
Monaten weit vor den anderen Parteien. Thüringen wird derzeit von einer
rot-rot-grünen Koalition mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) regiert.

Insgesamt haben neun von 13 angetretenen AfD-Kandidaten die Stichwahl
erreicht oder waren nach letztem Auszählungsstand kurz davor, wie aus Daten des
Landeswahlleiters vom Sonntag hervorging. Allerdings lag die AfD zunächst nur im
Landkreis Altenburger Land in Ostthüringen vorn. Teils landeten ihre Kandidaten
weit hinter denen der anderen Parteien.

Die CDU konnte in mehreren Städten Wahlerfolge für sich verbuchen und damit
ihre kommunale Stärke verteidigen. So verwies in der Landeshauptstadt Erfurt der
CDU-Mann Andreas Horn Amtsinhaber Andreas Bausewein (SPD) auf Rang zwei. Beide
kommen nun in die Stichwahl. In Weimar und Suhl erreichten die CDU-Kandidaten
gleich im ersten Wahlgang deutliche Mehrheiten und zogen in die Rathäuser ein.
Im Landkreis Weimarer Land verpasste die CDU-Kandidatin die absolute Mehrheit um
0,2 Prozentpunkte.

In mehreren Regionen vollzog die CDU einen Generationenwechsel. So traten
etwa die beiden dienstältesten Landräte in Deutschland, Werner Henning
(Eichsfeld) und Martina Schweinsburg (Greiz), aus Altersgründen nicht mehr an.

Die AfD tat sich in den Städten schwer. In Gera, das bei den Landrats- und
Oberbürgermeisterwahlen 2018 die einzige Kommune mit einem AfD-Kandidaten in der
Stichwahl gewesen war, verpasste die Partei nach Zwischenständen die zweite
Runde genauso wie in Erfurt und Jena. In fast allen Landkreisen, in denen sie
mit eigenen Kandidaten angetreten war, schaffte sie es hingegen voraussichtlich
in die nächste Runde.

Auch die SPD verbuchte bei den Wahlen einige Erfolge. So gewann
SPD-Kandidatin Peggy Greiser in Schmalkalden-Meiningen gegen ihren einzigen
Gegenkandidaten Ralf Liebaug von der CDU. In drei weiteren Landkreisen ging sie
mit teils deutlichem Abstand ins Ziel oder stand kurz davor. Dazu steht sie in
Erfurt in der Stichwahl.

Für Aufsehen sorgte das Wahlergebnis im südthüringischen Landkreis
Hildburghausen. Dort schaffte es der bundesweit bekannte Neonazi Tommy Frenck
knapp in die Stichwahl und ließ den CDU-Kandidaten Dirk Lindner hinter sich. Als
aussichtsreich für den Chefsessel im Landratsamt gilt Sven Gregor, der für die
Freien Wähler Landkreis Hildburghausen antrat und 42,4 Prozent der Stimmen im
ersten Wahldurchgang erhielt.

Bei den Wahlen der Kreistage und Stadträte der kreisfreien Städte in
Thüringen lagen CDU und AfD nach einem Zwischenstand fast gleichauf. Nach
Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmbezirke kam die CDU am Sonntagabend
auf 27,6 Prozent, die AfD lag bei 27,3 Prozent. Während sich die AfD im
Vergleich zu 2019 um fast zehn Punkte verbesserte, hielt die CDU bei diesem
Auszählungsstand ihren Stimmenanteil weitgehend stabil. Verluste erlitten Linke,
SPD und Grüne, die in Thüringen die Landesregierung stellen. Im Landkreis
Sonneberg, wo die AfD ihren deutschlandweit ersten Landrat stellte, lag die
Partei am Abend deutlich vorne.

Rund 1,74 Millionen Menschen waren in Thüringen am Sonntag zu Kommunalwahlen im Großformat aufgerufen: 13 von 17 Landräten waren zu wählen sowie 5
Oberbürgermeister der kreisfreien Städte. Außerdem wurden flächendeckend
Kreistage, Gemeinde- und Stadträte sowie ehrenamtliche und hauptamtliche
Bürgermeister gewählt.

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt wertete die Kommunalwahlen als Erfolg für
die CDU. Man habe "die antidemokratischen Kräfte auf die Plätze verwiesen". Er
sprach von sehr guten Ergebnissen und wichtigen Entscheidungen für die Partei.

Die Landesvorsitzende der Linken, Ulrike Grosse-Röthig, zeigte sich nach
Zwischenständen bei der Auszählung erleichtert, dass die AfD von Rechtsaußen
Björn Höcke im ersten Anlauf absehbar keine Chance auf die Eroberung eines
Landratsamtes oder eines Rathauses in einer kreisfreien Stadt hat. "Thüringen
bleibt demokratisch", erklärte sie. Die Linke ist in Thüringen Regierungspartei,
auf der Ebene von Landräten und Oberbürgermeistern jedoch nur vereinzelt
vertreten.

Die Wählerinnen und Wähler hätten "heute den braunen Griff nach der Macht im ersten Wahlgang bei Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen verhindert" und
demokratische Kandidatinnen und Kandidaten nach vorn gewählt, so Grosse-Röthig.

Einen Tag vor der Wahl waren bei Demonstrationen für ein weltoffenes
Thüringen und gegen Rechtsextremismus thüringenweit viele Menschen auf die
Straße gegangen. Allein in Erfurt beteiligten sich am Samstag nach
Polizeiangaben bis zu 2000 Menschen an einer Kundgebung. Die Wahlbeteiligung lag
bis 16.00 Uhr bei 46,2 Prozent.

In Umfragen zur Landtagswahl liegt die AfD trotz Einbußen derzeit mit 30
Prozent weit vor der CDU mit etwa 20 Prozent und der Linken von
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit 16 Prozent. Thüringen wird seit 2014
von einer rot-rot-grünen Koalition regiert, die seit 2020 aber über keine eigene
Mehrheit mehr im Landtag verfügt./rot/DP/stk

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