12.05.2024 21:00:03 - dpa-AFX: ROUNDUP/Katalonien-Wahl: Prognosen lassen Separatisten hoffen

BARCELONA (dpa-AFX) - Die separatistischen Parteien haben bei der
vorgezogenen Parlamentswahl in der spanischen Region Katalonien nach
Medienprognosen möglicherweise ihre absolute Mehrheit verteidigt. Nach den vom
staatlichen TV-Sender RTVE am Sonntagabend veröffentlichten Zahlen werden die
Unabhängigkeitsbefürworter aber diesmal von der liberal-konservativen Partei
Junts des in Belgien im Exil lebenden Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont
angeführt. Auf Platz eins landete demnach zwar die Sozialistische Partei (PSC)
von Spitzenkandidat Salvador Illa, die aber mit 37 bis 40 Sitzen die absolute
Mehrheit von 68 Abgeordneten deutlich verpasst haben dürfte.

Laut RTVE kommt Junts auf 33 bis 36 Sitze vor der ebenfalls separatistischen Republikanischen Linken (ERC) des bisherigen Regionalpräsidenten Pere Aragonès
mit 24 bis 27 Sitzen. Zusammen mit der linken Partei CUP (6-8 Sitze) und der als
rechtspopulistisch geltenden Alianca Catalana (1-3 Sitze) können die
Unabhängigkeitsbefürworter auf die absolute Mehrheit hoffen. Andere Medien
hatten bei ihren Prognosen ähnliche Ergebnisse. Alles deutet unterdessen auf
langwierige Verhandlungen über eine Regierungsbildung hin.

Sollten sich diese Resultate bestätigen, könnte Puigdemont auch als
Zweitplatzierter eine Regierungsbildung versuchen. Der 61-Jährige sitzt
allerdings noch im Exil fest, weil er von der spanischen Justiz per Haftbefehl
gesucht wird - im Zusammenhang mit dem unter seiner Führung gescheiterten,
illegalen ersten Abspaltungsversuch von 2017. Der könnte erst aufgehoben werden,
wenn eine mit der Regierung in Madrid vereinbarte Amnestie voraussichtlich im
Juni in Kraft getreten sein wird.

Im Wahlkampf standen zwar Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik im
Vordergrund, Themen wie in Deutschland, steigende Wohnkosten, Inflation,
Bürokratie-Wirrwarr. Die Wahl galt aber auch als Plebiszit über die umstrittene
Amnestie für Separatisten. Sie soll nach Worten von Spaniens sozialistischem
Regierungschef Pedro Sánchez den Katalonien-Konflikt entspannen und den
Separatisten den Wind aus den Segeln nehmen. Sollte ihr Stimmenanteil am Ende
der offiziellen Auszählung etwas sinken, wäre das ein Erfolg für Sánchez, der im
Rest des Landes heftiger Kritik an seinem nachgiebigen Katalonienkurs ausgesetzt
ist.

Die Separatisten lassen indes nicht locker und fordern von der
Zentralregierung grünes Licht für ein legales Referendum über die
Unabhängigkeit. Die Entwicklung nach der Wahl könnte nach Ansicht von
Beobachtern auch die Stabilität der spanischen Minderheitsregierung von Sánchez
gefährden, die im Parlament in Madrid auf die Stimmen der Separatisten
angewiesen ist.

Kritiker aus dem konservativen Lager werfen Sánchez politische Korruption
vor, weil er sich mit der Amnestie die Zustimmung separatistischer Abgeordneter
bei seiner Wiederwahl im Parlament in Madrid im vergangenen Herbst erkauft habe.
Zudem gefährde er die territoriale Einheit Spaniens, indem er seine
Minderheitsregierung von Separatisten abhängig gemacht habe, die ihn damit
zwingen könnten, doch noch einem Unabhängigkeitsreferendum zuzustimmen.

Katalonien war im Herbst 2017 nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum und einem anschließenden Beschluss zur Abspaltung von Spanien 2017 ins Chaos
gestürzt. Puigdemont konnte mit weiteren Regierungsmitgliedern ins Ausland
fliehen. Mehrere der im Land gebliebenen Mitstreiter wurden zu Haftstrafen von
bis zu 13 Jahren verurteilt, inzwischen aber begnadigt. Unter den Folgen des
chaotischen Trennungsversuches - darunter politische Instabilität sowie eine
Unternehmens- und Kapitalflucht - leidet Katalonien noch heute./er/DP/zb

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH