20.06.2024 06:18:48 - dpa-AFX: Weniger Geld für Autobahnen: Verbände warnen vor Verkehrskollaps

BERLIN (dpa-AFX) - Verbände der Bauwirtschaft haben wegen Sparplänen der
Bundesregierung bei Autobahnen vor drastischen Folgen auch für Autofahrer
gewarnt. In einem Appell heißt es: "Sollte die Bundesregierung keine
ausreichenden finanziellen Mittel für den Bundesfernstraßenbau im aktuellen
Verkehrsetat und der mittelfristigen Finanzplanung einstellen, hätte das fatale
Folgen - ein Verkehrskollaps ist zu befürchten." Eine fahrlässige
Investitionspolitik werde dazu führen, dass weitere Brücken gesperrt würden und
das Straßennetz weiter verfalle.

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen
Bauindustrie, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, Deutschland steuere
auf ein massives Problem in seiner Straßen- und Brückeninfrastruktur zu. "Mit
den geplanten Kürzungen im Etat der Autobahn GmbH von rund 20 Prozent müssten
deutschlandweit über 100 Baumaßnahmen, darunter äußerst wichtige
Brückenbauwerke, auf unbestimmte Zeit verschoben werden", sagte er. "Wir gehen
sogar davon aus, dass es faktisch zu keinen neuen Ausschreibungen von Brücken-
oder Erhaltungsprojekten mehr kommen könnte und teilweise Verträge kostspielig
gekündigt werden müssen."

Berichten zufolge sollen die finanziellen Mittel für die bundeseigene
Autobahn GmbH im kommenden Jahr im Vergleich zur bisherigen Planung um 20
Prozent auf rund fünf Milliarden Euro zusammengestrichen werden. Die
Verhandlungen über einen Entwurf des Haushalts 2025 laufen noch. Finanzminister
Christian Lindner (FDP) hat Ressorts Sparvorgaben gemacht.

"Notruf" für den Brückenbau

In einer Erklärung von Verbänden heißt es, über 4000 Brücken allein im
Bereich von Autobahnen in Deutschland seien aktuell dringend sanierungsbedürftig
oder müssten neu gebaut werden. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) habe
vor zwei Jahren angekündigt, der Bund werde spätestens ab 2026 pro Jahr 400
Brückenbauprojekte durchführen, damit binnen zehn Jahren der Sanierungsstau
abgearbeitet ist. "Weil die Zusage kaum eingelöst werden wird, wenden sich
mehrere Spitzenverbände jetzt in einem gemeinsamen Notruf an die Bundesregierung
zu Wort."

Zu den Verbänden gehören neben der Bauindustrie die Bundesvereinigung
Mittelständischer Bauunternehmen, der Zentralverband Deutsches Baugewerbe, der
Logistikverband BGL und der ADAC.

Die Spitzenverbände fordern, es müssten zusätzliche Investitionsmittel in
Höhe von einer Milliarde pro Jahr bereitgestellt werden, um das
Brückenmodernisierungsprogramm überhaupt ans Laufen zu bekommen und die
Modernisierung der Bundesfernstraßen zu sichern.

Kurzarbeit in der Bauwirtschaft?

Weiter heißt es mit Blick auf die Bauwirtschaft: "Die Unternehmen haben ihre Kapazitäten aufgestockt, weil sie sich darauf verlassen haben, dass die von der
Bundesregierung angekündigten Aufträge auch kommen." Jetzt säßen die Baufirmen
stattdessen in der Warteschleife, was erhebliche finanzielle Einbußen zur Folge
habe. "Kurzarbeit, auch im Brückenbau, könne nicht mehr ausgeschlossen werden."

Union kritisiert Kurs

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für Verkehr, Ulrich
Lange, nannte die Verkehrspolitik von Wissing "die reinste Irrfahrt". Die
Autobahn GmbH sei schon jetzt unterfinanziert. "Wenn ihr weitere Mittel
vorenthalten werden, können wichtige Sanierungs- und Ausbauprojekte nicht
umgesetzt werden."

Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar sagte, wenn gespart werden
müsse, werde das auch die Autobahnen treffen. "Wichtig ist aber, dass die
dringend notwendigen Sanierungen der Vielzahl maroder Brücken nicht in Gefahr
geraten."/hoe/DP/stk

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