21.06.2024 16:00:08 - dpa-AFX: ROUNDUP: Gericht hebt Baustopp für Gasförderung nahe Wattenmeer auf

DEN HAAG/BORKUM (dpa-AFX) - Nach einer Entscheidung des höchsten Gerichts
der Niederlande, einen geltenden Baustopp für Erdgasbohrungen in der Nordsee vor
der Insel Borkum aufzuheben, können die Bauarbeiten in Kürze beginnen. Das
niederländische Energieunternehmen One-Dyas dürfe für die geplante Gasförderung
nahe dem Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer eine Bohrplattform errichten, urteilten
die Richter am Freitag in Den Haag. Damit ist aber noch nicht endgültig über die
Klage gegen die Gasbohrungen entschieden. Wann der Rat des Staates, das höchste
Verwaltungsgericht, darüber entscheidet, ist nicht bekannt. Umweltorganisationen
beider Länder, darunter auch die Deutsche Umwelthilfe und die Insel Borkum,
hatten gegen die Bohrungen geklagt.

Das beklagte Energieunternehmen One-Dyas teilte nach dem Urteil mit, das
Vorhaben nun weiter voranzutreiben. Ein Konsortium um das Unternehmen plant, aus
einem Feld vor den beiden Wattenmeerinseln Borkum und Schiermonnikoog Erdgas zu
fördern. Dazu soll eine Förderplattform auf niederländischem Hoheitsgebiet rund
23 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum errichtet werden. Gefördert werden
soll den Plänen zufolge sowohl in niederländischen als auch in deutschen
Hoheitsgebieten, nahe dem niedersächsischen Nationalpark Wattenmeer.

One-Dyas: Erstes Erdgas noch 2024 fördern

"Mit diesem Urteil können wir alle Vorbereitungen zügig fortsetzen, um bis
Ende 2024 das erste Erdgas aus N05-A liefern zu können", sagte One-Dyas-Chef
Chris de Ruyter van Steveninck in einer Mitteilung. Das Urteil sei eine gute
Nachricht für die Versorgungssicherheit, die Wirtschaft und das Klima, da durch
die Erdgasförderung weniger Gas importiert werden müsse. "Bis wir vollständig
auf erneuerbare Energien umsteigen können, bleibt Erdgas aus der Nordsee die
beste Wahl", sagte der One-Dyas-Chef.

Für die Erdgasförderung sind allerdings Genehmigungen der Niederlande und
Deutschland erforderlich. Das Wirtschaftsministerium in den Niederlanden hatte
dafür bereits eine Lizenz erteilt. Auf deutscher Seite läuft das
Genehmigungsverfahren noch.

Bereits im Juli 2022 hatte ein Bündnis um die Umwelthilfe Klage gegen die
Bohrungen und den Bau der Plattform eingereicht. Im April 2023 hatte das Den
Haager Verwaltungsgericht einen vorläufigen Baustopp verhängt wegen Mängel bei
der Umweltgenehmigung. Nachdem das Wirtschaftsministerium die Genehmigung vor
einigen Wochen entsprechend geändert hatte, war der Baustopp aufgehoben worden.
Dagegen hatten die Kläger wiederum beim höchsten Verwaltungsgericht eine
einstweilige Verfügung beantragt. Sie befürchten Schäden im Naturschutzgebiet
Wattenmeer. Das lehnten die Richter nun aber ab.

Umweltschützer fordern Entscheidungen von Niedersachsens Behörden

"Wir sind ziemlich geschockt", sagte der Energieexperte der Umwelthilfe
Constantin Zerger der Deutschen Presse-Agentur. Er kritisierte, dass das Gericht
weder Stickoxidemissionen noch die Auswirkungen auf Schweinswale durch die
Bohrungen genauer berücksichtigt habe. Für beide Punkte hatte sich die
Umwelthilfe mit ihren Partnern, darunter auch die Stadt Borkum, vor Gericht
eingesetzt. Für einen neuen Stopp wollten die Umweltschützer nun im
Hauptsacheverfahren streiten.

Zerger betonte zudem, dass nun umso wichtiger werde, wie niedersächsische
Behörden über die Gasförderung entscheiden. "Da richtet sich jetzt der Blick auf
die Minister Olaf Lies und Christian Meyer", sagte Zerger. Beim
Niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), das
Wirtschaftsminister Lies (SPD) untersteht, wird das Planfeststellungsverfahren
auf deutscher Seite geführt. "Da muss jetzt dringend eine Entscheidung gefällt
werden. Da warten wir drauf", sagte Zerger. Er forderte, es dürfe keine
Gasförderung geben.

Die Umwelthilfe und ihre Partner verlangen zudem, ein bereits genehmigtes
Unterwasserseekabel, das die künftige Bohrplattform mit Windenergie vom
benachbarten Offshore-Windpark Riffgat versorgen soll, zu überprüfen. Der
Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
(NLWKN), der Umweltminister Meyer (Grüne) untersteht, hatte das Kabel laut
Umwelthilfe bereits 2022 genehmigt.

Umwelthilfe, der BUND Niedersachsen und die Bürgerinitiative Saubere Luft
Ostfriesland legten dagegen kürzlich Widerspruch ein. Aus ihrer Sicht würde das
Kabel schützenswerte Unterwasserbiotope und Riffstrukturen zerschneiden. "Das
hat aufschiebende Wirkung. Das heißt, da darf erstmal nicht gebaut werden",
sagte Zerger zu dem Widerspruch. "Insofern steht das Projekt noch immer unter
einem großen Vorbehalt."/ab/DP/mis

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