17.06.2024 06:10:21 - dpa-AFX: ROUNDUP: Israels Armee warnt vor größerer Eskalation - Die Nacht im Überblick

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Israels Militär warnt vor einer gefährlichen
Ausweitung des Konflikts mit der Schiiten-Miliz Hisbollah im Grenzgebiet zum
Libanon. Armeesprecher Daniel Hagari warf der Miliz in einer am Sonntagabend
veröffentlichten Videoerklärung vor, die Angriffe zu verstärken und damit die
Zukunft ihres eigenen Landes zu gefährden. "Die zunehmende Aggression der
Hisbollah könnte uns an den Rand einer größeren Eskalation bringen, die
verheerende Folgen für den Libanon und die gesamte Region haben könnte." Zuvor
hatte sich bereits die UN-Beobachtermission Unifil, die seit 1978 das
Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon überwacht, äußerst besorgt gezeigt
ob der zunehmenden Spannungen.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als acht Monaten hat sich die Lage
deutlich verschärft, inzwischen kommt es fast täglich zu Gefechten zwischen der
israelischen Armee und der Hisbollah. Die von Israels Erzfeind Iran unterstützte
Miliz ist mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen verbündet, gilt aber als
deutlich schlagkräftiger. Zuletzt verstärkte die Hisbollah ihre Angriffe,
nachdem das israelische Militär in der vergangenen Woche einen ihrer Kommandeure
gezielt getötet hatte. Die Lage im Südlibanon gehe "in Richtung Eskalation",
hieß es damals aus libanesischen Sicherheitskreisen.

"Schutzschild" für die Hamas

Hagari warf der Hisbollah vor, sie wolle den Libanon zum Schutzschild für
die Terror-Organisation Hamas machen. Israel werde nicht zulassen, dass sich die
Ereignisse vom 7. Oktober an einer der Grenzen des Landes wiederholten, sagte
der Sprecher in Anspielung auf den verheerenden Terrorangriff der Hamas und
anderer Gruppen auf den Süden Israels im vergangenen Jahr.

Bei dem Massaker wurde 1200 Menschen ermordet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Im Zuge des dadurch ausgelösten Krieges wurden
nach - unabhängig nicht überprüfbaren - Angaben der von der Hamas kontrollierten
Gesundheitsbehörden mehr als 37 000 Palästinenser getötet. Rund 80 Prozent der
Bevölkerung sind innerhalb des abgeriegelten Küstenstreifens auf der Flucht.

Israel werde die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um seine Bürger zu
schützen, "bis die Sicherheit entlang unserer Grenze mit dem Libanon
wiederhergestellt ist", sagte Hagari. Später betonten die Streitkräfte laut
einem Bericht der israelischen Zeitung "Maariv", Hagaris Worte stellten keine
Drohung dar. Sie seien vielmehr als Botschaft an die internationale
Staatengemeinschaft gedacht.

Gefahr von Fehlkalkulationen

Es bestehe die "sehr reale Gefahr", dass schon eine Fehlkalkulation zu einem weitreichenden Konflikt führen könnte, warnten der Chef der UN-Friedenstruppe im
Libanon, Aroldo Lázaro, und die Sonderkoordinatorin für das Land, Jeanine
Hennis-Plasschaert, am Samstag in einer gemeinsamen Erklärung. "Wir werden
weiter mit den Parteien in Verbindung stehen und rufen alle Akteure auf, ihre
Waffen ruhen zu lassen, um auf eine politische und diplomatische Lösung
hinzuarbeiten." Das sei die einzige Lösung mit dauerhaften Erfolgsaussichten.

Begrenzte Feuerpause im Süden Gazas

Hagaris Warnung erfolgte nach der Verkündung einer mehrstündigen und
räumlich begrenzten Feuerpause im südlichen Gazastreifen durch das israelische
Militär. Die "taktische Pause" entlang einer wichtigen Straße soll demnach mehr
Hilfslieferungen in das Küstengebiet ermöglichen. Die Entscheidung wurde den
Angaben zufolge nach Beratungen mit den Vereinten Nationen und internationalen
Organisationen getroffen.

Die Pause gilt demnach entlang einer Straße, die vom Grenzübergang Kerem
Schalom nach Nordosten führt, beziehe sich jedoch nicht auf die Stadt Rafah an
der ägyptischen Grenze, betonte das Militär - dort sollten die Kämpfe
weitergehen. Der dortige Grenzübergang, der bis zu Israels militärischem Vorstoß
in Rafah die wichtigste Schleuse für Hilfslieferungen war, bleibt geschlossen.
Wegen der vielen Toten und der katastrophalen humanitären Lage ist das Vorgehen
Israels im Gaza-Krieg international sehr umstritten.

Angespannte Versorgungslage

Die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat
teilte am Sonntag mit, mehr als 1000 Lastwagen für den Transport von Hilfsgütern
warteten darauf, von der Gaza-Seite des Grenzübergangs Kerem Schalom abgeholt zu
werden. Über den Tag hinweg seien nur 92 Fahrzeuge von UN-Hilfsorganisationen
abgeholt worden.

Wegen der Kämpfe zwischen Israels Armee und der Hamas hatte das
Welternährungsprogramm (WFP) zuletzt vor einer weiteren Verschlechterung der
Versorgungslage für die Menschen im südlichen Gazastreifen gewarnt. Demnach
könnten sie schon bald unter der gleichen katastrophalen Hunger-Lage leiden wie
die Menschen in den nördlichen Gebieten./dg/DP/zb

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