13.05.2024 15:26:21 - dpa-AFX: ROUNDUP 3: Neue Etappe oder Neuwahl in Katalonien nach Schlappe der Separatisten

(Aktualisierung: Aragonès verzichtet auf Parlamentssitz, Äußerungen der
Sozialisten.)

BARCELONA (dpa-AFX) - Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Katalonien
haben die Wähler die separatistischen Kräfte abgestraft und die auf Dialog
setzenden Sozialisten belohnt. Erstmals seit 1980 verloren die verschiedenen
Parteien der Unabhängigkeitsbefürworter in der spanischen Konfliktregion die
absolute Mehrheit der Sitze. Die Sozialisten von Spitzenkandidat Salvador Illa
bekamen hingegen erstmals die meisten Stimmen und die meisten Sitze im Parlament
in Barcelona, verfehlten aber die absolute Mehrheit von 68 Sitzen. "Ich
übernehme die Verantwortung, diese neue Etappe zu führen", reklamierte Illa am
Wahlabend. Gemeint ist die Abkehr vom Separatismus.

"Der Triumph Illas beerdigt den "Procés"" (die jahrelange Trennungsoffensive der Separatisten), titelte die renommierte Zeitung "El País" am Montag. Der
Erfolg der Sozialisten wurde auch Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez
zugerechnet. Er hatte sich für die Begnadigung verurteilter Separatisten und für
eine Amnestie der ins Ausland geflohenen Befürworter der Unabhängigkeit der
Region im Nordosten Spaniens eingesetzt, um den jahrelangen Konflikt zu
entspannen und den Separatisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Gegenzug
sicherte er sich deren Stimmen für seine Wiederwahl im vergangenen Herbst im
Parlament in Madrid.

Die Strategie von Sánchez ging soweit auf. Die Separatisten hätten immer
dann ihre besten Ergebnisse erzielt, wenn die Zentralregierung mit harter Hand
reagierte, kommentierte die Zeitung "La Vanguardia" am Montag. Sánchez
gratulierte Illa auf X. "Katalonien ist bereit, eine neue Zukunft in Angriff zu
nehmen und in eine Zeit der Hoffnung einzutreten", schrieb er auf Katalanisch.

Illa könnte nun mit Unterstützung anderer linker Parteien zum Regierungschef gewählt werden. Kleiner Schönheitsfehler: dazu gehört der größte Wahlverlierer,
die separatistische ERC. Die Partei des nun nur noch geschäftsführenden
Regionalregierungschefs Pere Aragonès stürzte auf den dritten Platz weit hinter
Junts des noch im Exil lebenden Separatistenführers Carles Puigdemont ab.
Sichtlich enttäuscht kündigte Aragonès am Wahlabend den Gang in die Opposition
an. Ob ihm seine Partei dahin folgt, war unklar. Die Sozialisten riefen die ERC
auf, eine Wahl Illas zum Regierungschef nicht zu blockieren.

Am Montag zog Aragonès auch persönlich Konsequenzen und verzichtete auf
seinen Parlamentssitz. Er scheide aus der "vordersten Linie" der Politik aus,
sagte er. Die Verhandlungen über eine Regierungsbildung dürften langwierig
werden und wenn sie scheitern, könnte es eine weitere Neuwahl geben.

Puigdemont, dem in Spanien bis zum Inkrafttreten der Amnestie die Verhaftung droht, hatte den Wahlkampf deshalb vom Ausland ausführen müssen. In der
südfranzösischen Stadt Argelès-sur-Mer nur etwa zehn Kilometer nördlich der
Grenze zu Spanien reklamierte er am Montag das Amt des Regierungschefs in
Barcelona für sich. "Wir können eine stimmige Mehrheit zusammenbringen", sagte
er vor Journalisten. Mit "stimmig" meinte er eine Regierung, der nur
separatistische Parteien angehören sollten. Das wären Junts (35 Sitze), ERC (20)
und eventuell auch der extrem linken CUP (4), die zusammen auf bis zu 59 Sitze
kämen - neun weniger als die absolute Mehrheit. Eine solche Minderheitsregierung
Puigdemont müssten deshalb von den siegreichen Sozialisten (42) toleriert
werden. Kommentatoren im spanischen Fernsehen bezeichneten diesen Vorschlag als
eher sehr illusorisch und die Sozialisten schlossen das aus.

Zu seiner Ankündigung aus dem Wahlkampf, die aktive Politik zu verlassen,
wenn er nicht wieder "President" in Barcelona werde, äußerte sich Puigdemont
nach dem Wahldebakel der Separatisten zunächst nicht. Die Sozialisten müssen mit
dem bisweilen als unberechenbar geltenden 61-Jährigen jedoch vorsichtig umgehen,
denn wenn er sich in Katalonien übergangen fühlen sollte, könnte er zum Dank die
Regierung Sánchez im Parlament in Madrid lahmlegen.

Nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum und einem Beschluss zur
Abspaltung von Spanien war Katalonien im Herbst 2017 unter der Ägide Puigdemonts
ins Chaos gestürzt. Der Puigdemont konnte damals mit weiteren
Regierungsmitgliedern ins Ausland fliehen. Mehrere der im Land gebliebenen
Mitstreiter wurden zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt, später aber
begnadigt. Unter den Folgen des chaotischen Trennungsversuches - politische
Instabilität sowie eine Unternehmens- und Kapitalflucht - leidet Katalonien noch
heute./er/DP/men

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