22.05.2024 13:46:17 - dpa-AFX: ROUNDUP: Sorge in Nachbarländern wegen russischer Pläne für Seegrenzen

MOSKAU (dpa-AFX) - Ein russisches Gesetzesprojekt zur möglichen
Neubestimmung seiner Seegrenzen in der Ostsee hat Verwirrung und große Aufregung
bei Nachbarländern hervorgerufen. "Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass
Russlands aggressive und revisionistische Politik eine Bedrohung für die
Sicherheit der Nachbarländer und ganz Europas darstellt", hieß es am Mittwoch
aus dem litauischen Außenministerium.

Hintergrund ist eine am Dienstagabend in der Gesetzesdatenbank der
russischen Regierung veröffentlichte Initiative des Verteidigungsministeriums
zur "Bestimmung geografischer Koordinaten" zur Festlegung der Grenzlinien in
verschiedenen Teilen der Ostsee. Begründet wurde das Vorhaben damit, dass die
alten noch zu Sowjetzeiten festgelegten Koordinaten ungenau seien und es nicht
erlaubten, eine durchgehende Grenzlinie zu ziehen.

Das Verteidigungsministerium verwies konkret auf ein Seegebiet südlich der
russischen Inseln im Finnischen Meerbusen und auf Abschnitte bei den Städten
Baltijsk und Selenogradsk im Gebiet Kaliningrad. Das Vorgehen erlaube es, "das
entsprechende Seegebiet als russisches Binnenmeer zu nutzen", heißt es im
Dokument. Am Mittwoch meldeten dagegen mehrere russische Agenturen unter
Berufung auf eine Quelle in militärisch-diplomatischen Kreisen, dass es bei dem
Gesetzesprojekt doch nicht um eine Ausweitung russischen Gebietes gehe.
Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, das Vorhaben habe keinen politischen
Hintergrund. Am Nachmittag war die Initiative schließlich ohne Angabe von
Gründen aus der Gesetzesdatenbank verschwunden. Welche Bedeutung das haben
könnte, war zunächst unklar.

Bei den Nachbarstaaten schrillten dennoch die Alarmglocken. Russlands
Vorgehen könne als "bewusste, gezielte und eskalierende Provokation" angesehen
werden, mit der die Nachbarländer und ihre Gesellschaften eingeschüchtert werden
sollen, hieß es aus dem litauischen Außenministerium. Demnach soll der russische
Gesandte zu einer ausführlichen Erklärung einbestellt werden. Eine Reaktion will
Litauen mit seinen Partnern koordinieren.

Etwas zurückhaltender fiel die Einschätzung in Finnland aus. Dort wollen die Behörden zunächst die Informationen aus russischen Medien prüfen. "Russland hat
in dieser Angelegenheit keinen Kontakt mit Finnland aufgenommen. Finnland
handelt wie immer: ruhig und auf der Grundlage von Fakten", schrieb der
Präsident Alexander Stubb auf X.

Schwedens Armeechef Micael Byden warnte vor Moskaus Ambitionen in der Ostsee - insbesondere mit Blick auf die schwedische Insel Gotland. "Ich bin sicher,
dass Putin sogar beide Augen auf Gotland geworfen hat", sagte Byden dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Putins Ziel ist es, die Kontrolle über die
Ostsee zu erlangen. (...) Für Putin ist die Ostsee genauso wichtig, wie es für
uns wichtig ist, dass sie offen und sicher bleibt."/bal/DP/stk

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