23.06.2024 14:25:33 - dpa-AFX: Verbraucherschützer bei Pflichtversicherung für französisches Modell

KEHL (dpa-AFX) - In der Debatte um eine bundesweit geltende
Pflichtversicherung gegen Hochwasser- und andere Elementarschäden werben
Verbraucherschützer aus dem Südwesten dafür, sich am französischen Modell zu
orientieren. "98 Prozent der französischen Haushalte sind versichert", sagte der
Vizevorstand des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV), Jakob
Thevis, im baden-württembergischen Kehl.

Jeder Haushalt im Nachbarland zahle im Durchschnitt 26 Euro im Jahr, um
Haus, Hausrat und Auto gegen Elementarschäden zu versichern. Das sei günstig,
sagte Thevis. Der Beitrag werde allerdings im kommenden Jahr auf
durchschnittlich 40 Euro steigen, kündigte der Vorstandschef des staatlichen
Rückversicherers Caisse Centrale de Réassurance (CCR), Édouard Vieillefond, an.
Grund dafür seien unter anderem höhere Aufwendungen in Folge von
Naturkatastrophen. Die CCR ist ein zentraler Baustein des französischen Systems.

Kombination von privater Versicherung und staatlichem System

Die Kombination von privaten Versicherungen und einem staatlich
kontrollierten Rückversicherungssystem funktioniere im Nachbarland seit über 40
Jahren, sagte Thevis. Der französische Staat sei bisher nur einmal mit 263
Millionen Euro eingesprungen. Das ZEV berät Menschen im oberrheinischen
Grenzgebiet und wird von öffentlichen Institutionen aus Deutschland und
Frankreich unterstützt.

Nur rund die Hälfte der privaten Gebäude in Deutschland sind gegen
Elementarschäden abgesichert. Die Länder dringen auf eine Versicherungspflicht,
doch die Bundesregierung lehnt diese ab. "Die aus dem Länderkreis geforderte
Pflichtversicherung würde das Wohnen in Deutschland teurer machen, eine große
Bürokratie nach sich ziehen und den Staat nicht aus der finanziellen Haftung
nehmen", hatte der federführend zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann
(FDP) am Donnerstag gesagt.

"Wir haben bei der Wohngebäudeversicherung eine Abdeckung von 97 bis 98
Prozent", sagte CCR-Chef Vieillefond mit Blick auf sein Land. Dieses sei
überhaupt die Basis dafür, die obligatorische Ergänzung zum Absichern gegen
Elementarschäden zu haben.

Einheitlicher Beitragssatz dank Solidaritätsprinzip

In Frankreich umfasst der Begriff der Naturkatastrophe unter anderem
Überschwemmungen, Schlammlawinen, Bodenbewegungen, Flutwellen und besonders
heftige Stürme. Blitzschlag und Hagel sind nicht inbegriffen. Der CCR-Chef
machte deutlich, dass es wegen des Solidaritätsprinzips einen einheitlichen
Beitragssatz gibt - es sind bisher zwölf Prozent der gesamten
Versicherungsprämie. "Jeder zahlt denselben Satz - ob auf Guadeloupe, in
Bordeaux oder Paris."

Nach Ansicht der deutschen Versicherungswirtschaft ist das System à la
française keine Blaupause für Deutschland. "Das System ist defizitär, das System
ist nicht stabil", hatte die Vize-Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands
GDV, Anja Käfer-Rohrbach, zu Monatsbeginn gesagt.

Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner verteidigte hingegen bei einer
Fachtagung in der zurückliegenden Woche das Modell des großen EU-Partners: "In
Frankreich sieht man, dass man Starkwetterereignisse und die Schäden, die
dadurch drohen, günstig versichern kann. Da müssen wir in Deutschland das Rad
nicht neu erfinden", sagte der Bundestagsabgeordnete. Er hatte sich bereits
zuvor für einen stärkeren Versicherungsschutz gegen die Folgen von Unwettern
ausgesprochen./cb/DP/he

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