26.05.2024 15:01:49 - dpa-AFX: POLITIK/BKA-Chef: Politische Unzufriedenheit befördert Gewalt gegen Politiker

BERLIN (dpa-AFX) - Das Bundeskriminalamt ist tief besorgt wegen der steil
gestiegenen Zahl von Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger. In den
vergangenen fünf Jahren habe sich die Zahl verdreifacht auf inzwischen 5400
Delikte, sagte Behördenchef Holger Münch der "taz" (Samstag). Zum Glück seien
davon nur ein Bruchteil Gewaltdelikte. "Aber wir sehen, dass die Unzufriedenheit
mit staatlichen Institutionen Beleidigungen und Bedrohungen befördert, und auch
Gewalt. Und das häuft sich nun vor den anstehenden Wahlen."

Am 9. Juni ist die Europawahl. Und im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt.

Zum Fall des Dresdner SPD-Europapolitikers Matthias Ecke, der beim Aufhängen von Plakaten krankenhausreif geprügelt wurde, sagte Münch, dies sei eine äußerst
brutale Gewalttat gewesen, die zeige, wohin politische Aggression führen könne.
"Solche Gewalt kann sich bis hin zu versuchten oder vollendeten Morddelikten
steigern - wie wir es etwa im Fall Walter Lübcke erleben mussten. Um genau nicht
dorthin zu kommen, sind wir sehr aufmerksam und alarmiert." Der hessische
CDU-Politiker war 2019 von einem Rechtsextremisten vor seinem Wohnhaus
erschossen worden.

Münch beklagte, gerade über soziale Medien verbreiteten sich Narrative und
Feindbilder. "Jeder politische Akteur, der nicht dazu beiträgt, dass es einen
sachlichen Diskurs gibt, sondern Sündenböcke aufbaut - Stichwort
Ausländerproblem und Remigration - trägt zu dieser Polarisierung bei." Dabei
habe die AfD eine besondere Rolle, weil sie gerade auf diesen Plattformen breit
präsent sei. "Eine solche Präsenz kann man einsetzen, um zu beruhigen oder zu
beunruhigen. Und zur Beruhigung tragen viele der AfD-Veröffentlichungen nicht
bei."

Zur Gefährdung der Demokratie wegen der Straftaten gegen Politiker sagte
Münch: "Die Zahlen sind zumindest ein Alarmsignal. Keiner kann sagen, was der
Schwellenwert ist, an dem die Demokratie kippt." Viele überlegten, wegen der
Anfeindungen aufzuhören, und die Mitgliederzahlen der Parteien in den letzten 30
Jahren gingen rapide bergab. "Wir müssen uns dringend Gedanken machen, wie wir
in Deutschland für dieses Staatswesen eintreten wollen."/toz/DP/he

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