26.05.2024 14:34:05 - dpa-AFX: SPORT/'Image pulverisiert': Bayer will Bayern auf Dauer Paroli bieten

BERLIN (dpa-AFX) - Als sie nach Gewinn des Doubles endlich in den seit
Wochen ersehnten Party-Marathon starteten, waren Bosse und Spieler von Bayer
Leverkusen mit den Gedanken schon wieder bei der nächsten Saison. Nun, da der 31
Jahre alte Titel-Fluch mitsamt des "Vizekusen"-Spotts gebannt ist, will sich die
Werkself dauerhaft als Spitzenteam und Rivale des FC Bayern München
positionieren.

"Dieses Image, das Bayer immer nachgesagt wurde", sagte Sportchef Simon
Rolfes, der von 2005 bis 2015 titellos für Leverkusen spielte, "haben wir
pulverisiert". Nun gilt es, das neue Außenbild zu verfestigen. "Ich bin nicht
hergekommen, um nur ein Jahr Titel zu holen", sagte Final-Torschütze Granit
Xhaka nach dem 1:0-Endspielsieg im DFB-Pokal gegen den Zweitligisten 1. FC
Kaiserslautern. Und das in vollem Bewusstsein auf dem Weg zur großen Pokal-Party
im "Club Theater Berlin" mit etwa 1000 geladenen Gästen. Trainer Xabi Alonso
erklärte: "Ich habe den Wunsch, diesen Weg weiterzugehen und ab Montag etwas
Neues vorzubereiten."

Den Bayern Paroli bieten

Die von Club-Chef Fernando Carro vorgelebte Devise, Ziele auch öffentlich
forsch zu formulieren, erfasst nach dieser historischen Saison den ganzen Club.
"Wir sind sehr glücklich, aber es hört hier nicht auf", sagte Carro: "Wir müssen
versuchen, auf diesem Niveau zu bleiben. Und das werden wir tun." Natürlich sei
der nach elf Jahren eindrucksvoll abgelöste Serienmeister FC Bayern München "von
der Geschichte her das stärkste Team in Deutschland. Aber wir wollen ihnen auf
jeden Fall zumindest Paroli bieten können".

Und dann formulierte der Spanier sogar schon explizit die kommenden Ziele.
"Das Ziel ist immer, ganz oben zu stehen", sagte er: "Das Ziel ist, in der
Bundesliga mindestens oben dabei zu sein, im Pokal so weit wie möglich zu kommen
und auch in der Champions League zu zeigen, dass Bayer Leverkusen ein top Niveau
hat."

Xhaka will "in der Champions League angreifen"

Xhaka ging noch einen Schritt weiter. "Lasst uns nächstes Jahr in der
Champions League angreifen", sagte er mit einem verschmitzten Lächeln, das
bewusst offen ließ, wie weit dieser Angriff führen soll. Klar war dagegen Xhakas
Ansage an die nationale Konkurrenz. "Wir werden alles dafür tun, unsere Titel zu
verteidigen", sagte er: "Wir wollen nächstes Jahr genauso weitermachen. Wir
werden auch mal Spiele verlieren, wir werden nächstes Jahr nicht wieder 51
Spiele ohne Niederlage nacheinander schaffen. Aber wir wollen angreifen." Was
nötig sei, um sich dauerhaft oben zu etablieren? "Hunger und Mentalität - alles
andere weiß der Verein."

Der Optimismus wird geschürt durch die besonderen Umstände der Saison, in
der Bayer so viele Titel holte wie zuvor insgesamt in 119 Jahren
Vereinsgeschichte. Und sie haben diese Titel nicht in erster Linie wegen der
Schwäche der Bayern geholt, die sogar mehr Punkte holten als im Vorjahr. Sondern
aus eigener Stärke, mit der sie die Münchner irgendwann entnervten. Sie blieben
als erste Mannschaft der Liga-Geschichte eine ganze Saison ungeschlagen. Und sie
standen ja auch noch im Europa-League-Finale, in dem beim 0:3 gegen Atalanta
Bergamo aber die einzige Niederlage in 53 Pflichtspielen folgte.

Xabi will "deutsches Bier" statt spanischen Rotwein

Was bei diesem Ritt durch die drei Wettbewerbe immer zu kurz kam, das holten sie ab Samstagabend ausgiebig nach: Das Feiern! "Natürlich" werde man das tun,
sagte Alonso mit einem wissenden Lächeln kurz nach dem Spiel. Und er wolle dabei
keinen spanischen Rotwein: "Heute Abend trinke ich deutsches Bier." Der
Gerstensaft sei schon in der Kabine geflossen, sagte Kapitän Lukas Hradecky,
"und Champagner und alles, was dazugehört".

Obwohl der erste Meistertitel der Vereinsgeschichte bereits seit Mitte April feststand, waren sie immer fokussiert geblieben. In den Pokal-Wettbewerben, um
in die Finals zu kommen. In der Liga, um die Serie zu vollenden. "Wir haben
eigentlich noch gar nicht gefeiert. Die Meisterschaft nicht, nichts", sagte
Rolfes. Nun aber dürften die Spieler "so viel Gas geben, wie sie wollen. Jetzt
können sie es endlich genießen und ein bisschen die Sau rauslassen." Carro
betonte: "Heute wird gefeiert, bis die Körper nicht mehr können."

Auch im Umfeld hat sich viel entwickelt

Doch die Party am Potsdamer Platz in der Hauptstadt, zu der die ersten
Spieler gegen 1.30 Uhr schon mit Sonnenbrillen eintrafen, war nur der
Startschuss. Bei der Rückkehr in die 160 000-Einwohner-Stadt am Sonntagmittag
war ein großes Programm vorgesehen. Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, ein
Autokorso sowie eine abschließende Feier mit 40 000 Fans im Stadion. Die Tickets
dafür waren rasch vergriffen.

Auch diese Klischees haben sie in dieser Saison widerlegt. Dass Leverkusen
keine Fans habe, keine Stimmung und nicht feiern könne. Auch wenn die 30 000
Bayer-Fans in Berlin einen schweren Stand gegen die fast doppelt so starke
Gruppe von Pfälzern mit beeindruckender Teufel-Choreographie hatten. Aber es ist
etwas entstanden, im und um den Verein. Und das soll erst der Anfang
sein./sho/DP/he

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