27.06.2024 14:09:53 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Stiko-Empfehlung für RSV-Schutz - Was es zu wissen gilt

BERLIN (dpa-AFX) - Eine Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus
(RSV) ist bei Säuglingen und Kindern in Deutschland die häufigste Ursache von
Erkrankungen der unteren Atemwege. Jährlich kommen nach Daten des Robert
Koch-Instituts (RKI) etwa 25 000 Säuglinge wegen einer RSV-Infektion ins
Krankenhaus. Rund 200 000 Säuglinge mit RSV werden ambulant behandelt. Das Virus
wird über Tröpfchen übertragen. Um Neugeborene zu schützen, hat die Ständige
Impfkommission (Stiko) nun eine neue Empfehlung herausgegeben.

Was empfiehlt die Stiko?

Zum Schutz vor einer RSV-Infektion empfiehlt die Stiko für Neugeborene und
Säuglinge ab sofort den Antikörper-Wirkstoff Nirsevimab. Das gilt für alle
Neugeborenen und Säuglinge unabhängig von möglichen Risikofaktoren. Gespritzt
werden soll der Wirkstoff in der ersten RSV-Saison, die auf die Geburt folgt.
Die Saison geht üblicherweise von Oktober bis März. Säuglinge, die zwischen
April und September geboren werden, sollen das Mittel laut Stiko zwischen
September und November erhalten. Für Neugeborene, die während einer RSV-Saison
auf die Welt kommen, empfiehlt die Stiko die Gabe möglichst rasch nach der
Geburt noch vor Entlassung aus der Geburtseinrichtung. Der Wirkstoff wird
einmalig in den Oberschenkel gespritzt.

Für Säuglinge, die bereits eine RSV-Infektion durchgemacht haben, ist der
Empfehlung zufolge in der Regel keine Nirsevimab-Prophylaxe erforderlich.

Wie wirkt die Antikörper-Prophylaxe?

Nirsevimab bindet an ein Virusprotein und verhindert so das Eindringen des
Erregers in Körperzellen. Es handelt sich um eine sogenannte passive
Immunisierung: Verabreicht werden fertige Antikörper, diese werden also nicht
aktiv vom eigenen Immunsystem produziert. Das bietet sofortigen Schutz, ist aber
nur zeitweise wirksam, da die Antikörper nach einer gewissen Zeit abgebaut
werden. Bei Nirsevimab hält der Schutz etwa sechs Monate, wie Johannes Liese,
Leiter der pädiatrischen Infektiologie und Immunologie am Universitätsklinikum
Würzburg, erklärte.

Gibt es Risiken?

"Wie bei allen Injektionen können Rötung und Schwellung und Schmerzen im
Bereich der Injektionsstelle auftreten, am Tag der Injektion und auch am Tag
danach", erklärte Kinderärztin und Stiko-Mitglied Julia Tabatabai. Ansonsten
werde das Arzneimittel als sehr sicher eingestuft. Schwere Unverträglichkeiten
seien "extrem selten", sagte Liese.

Was ist das Ziel der Empfehlung?

Die Empfehlung hat das Ziel, die Häufigkeit schwer verlaufender
RSV-Erkrankungen bei Neugeborenen und Säuglingen zu verringern. Außerdem sollen
das Gesundheitssystem entlastet und Versorgungsengpässe vermieden werden.
"Sowohl in der Kinderarztpraxis als auch in der Klinik ist die jährliche
RSV-Saison eine riesige Herausforderung", sagte Liese.

Welche Symptome haben Kinder bei einer RSV-Infektion?

Bei Kindern zeigt sich eine Infektion meist zuerst durch eine laufende Nase
und fehlenden Appetit. Der Rachen kann entzündet sein. "Husten und Niesen
folgen, und häufig tritt Fieber auf", schreibt die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung auf ihrer Webseite. In der Folge seien Bronchitis und
Lungenentzündung möglich. Bei schwerem Verlauf könne eine Beatmung nötig sein.
Tödliche Verläufe sind möglich, in Deutschland aber sehr selten.

Eine spezielle Therapie gibt es laut Stiko nach Ausbruch der Krankheit
nicht. Die Behandlung bestehe vor allem in ausreichender Flüssigkeitszufuhr, der
Verwendung von Nasenspülungen oder Nasentropfen und gegebenenfalls
Sauerstoffgaben.

Für wen ist eine Erkrankung besonders gefährlich?

Vor allem bei sehr jungen Säuglingen kann eine Infektion laut Tabatabai
schwere Atemwegserkrankungen zur Folge haben, die zu Krankenhausaufenthalten
führen. "Eine schwere Atemwegserkrankung mit RSV ist der häufigste
Hospitalisierungsgrund für Kinder im ersten Lebensjahr", sagte die Ärztin.
Während des ersten Lebensjahres müsse jedes vierte Kind mit einer RSV-Infektion
medizinisch behandelt werden.

Als weitere Risikogruppen für schwere Verläufe gelten unter anderem
Frühgeborene, Kinder mit angeborenem Herzfehler oder chronischen
Lungenerkrankungen, aber auch Erwachsene über 65 und Menschen mit
beeinträchtigtem Immunsystem. Grundsätzlich kann man in jedem Alter an RSV
erkranken und sich wiederholt infizieren.

Gibt es andere Mittel gegen RSV, auch für Erwachsene?

In der EU sind seit vergangenem Jahr zwei Impfstoffe gegen RSV verfügbar,
einer für Schwangere und Menschen ab 60 (Abrysvo) und einer nur für Menschen
über 60 (Arexvy). Für die Wirkstoffe gibt es bislang keine Stiko-Empfehlung. Bei
der Impfung für Schwangere sei die Datenlage bislang unzureichend, hieß es zur
Begründung. Die Lage für Ältere habe das Gremium gesondert bewertet und werde
dazu noch Stellung nehmen, sagte Tabatabai.

Für Kinder mit hohem Risiko bei einer RSV-Infektion ist seit mehr als zwei
Jahrzehnten der Antikörper Palivizumab zugelassen. Im Gegensatz zu Nirsevimab
muss Palivizumab allerdings monatlich verabreicht werden. Wegen der "erheblichen
Vorteile" von Nirsevimab soll der Wirkstoff Liese zufolge in Zukunft bevorzugt
auch für Risikogruppen verwendet werden. "Wir sind auch dabei, diesbezüglich die
Leitlinie für Risikokinder zu überarbeiten", sagte der Kinderarzt./bum/DP/stk

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