07.07.2024 15:22:56 - dpa-AFX: Selenskyj sieht Flugabwehr dank Deutschland gestärkt

KIEW (dpa-AFX) - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat
Deutschland für die Lieferung des dritten Flugabwehrsystems vom Typ Patriot
gedankt. "Das sind starke Neuigkeiten", sagte Selenskyj in Kiew. Er danke auch
den USA für weitere Schritte, die ukrainische Luftverteidigung zu stärken.

Details nannte er nicht, sagte aber, dass die Partner des Landes die
Vereinbarungen erfüllten. "Die Ukraine hat schon bewiesen, dass es keine
russischen Raketen gibt, die wir nicht abschießen können", sagte Selenskyj. Das
Land tue alles dafür, damit der russische Terror ende.

Er habe sich auch mit Raketenherstellern getroffen, die dafür arbeiteten,
der russischen Aggression etwas Ebenbürtiges entgegenzusetzen. "Das ist eine
Angelegenheit globaler Stabilität und Sicherheit, damit jeder im Kreml weiß,
dass sie nicht ungestraft davon kommen", sagte er weiter.

Selenskyj drängt Verbündete zu mehr Unterstützung

Für ihren Abwehrkampf gegen Russland hat die Ukraine im April vergangenen
Jahres das erste moderne Flugabwehrsystem US-amerikanischer Produktion des Typs
Patriot erhalten. Die ukrainische Flugabwehr will damit bereits russische
Hyperschallraketen und ballistische Raketen abgefangen haben. Insgesamt soll
Kiew derzeit über vier Systeme verfügen. Weitere wurden unter anderem von
Rumänien in Aussicht gestellt.

Präsident Selenskyj hatte ursprünglich mindestens sieben derartiger Systeme
für einen zuverlässigen Schutz regelmäßig mit Raketen angegriffener Großstädte
wie Charkiw, Dnipro, Saporischschja und Odessa genannt. Er drängt die
Verbündeten der Ukraine regelmäßig zu weiterer Unterstützung bei der Flugabwehr.

Russland überzieht das Nachbarland in seinem seit mehr als zwei Jahren
andauernden Angriffskrieg immer wieder mit Luftschlägen. Durch die Raketen- und
Drohnenangriffe gibt es schwerste Zerstörungen etwa an der Energieinfrastruktur
sowie immer wieder auch Tote und Verletzte.

Schäden nach Luftangriffen in der Ukraine und Russland

Bei wechselseitigen Drohnenangriffen haben Russland und die Ukraine in der
Nacht zum Teil beträchtliche Schäden im jeweiligen Nachbarland angerichtet. So
hat Russland Angaben der Luftwaffe in Kiew zufolge zwölf ukrainische Regionen
attackiert. Von den insgesamt 32 Drohnen sind zwar demnach 24 abgeschossen
worden, aber mehrere Gebiete meldeten auch Treffer. In der Region Sumy fielen so
Strom- und Wasserversorgung aus. Im Umland von Kiew wurden ein privates Wohnhaus
und ein Pkw von herabfallenden Drohnentrümmern beschädigt.

Auf der Gegenseite war einmal mehr die zuletzt verstärkt ins Visier geratene südrussische Region Krasnodar Ziel der Attacken. Zwar seien die Drohnen
abgeschossen worden, doch deren Trümmer hätten Treibstofflager in den
Landkreisen Pawlowskaja und Leningradskaja in Brand gesetzt und einen Funkturm
in der Stadt Jejsk beschädigt, hieß es in einer Mitteilung des regionalen
Krisenstabs.

Selenskyj kündigt Schritte gegen Energie-Krise an

In seiner Videobotschaft kündigte Selenskyj ein komplexes Paket an Maßnahmen an, um die Energiekrise im Land zu lösen. Einzelheiten nannte er nicht, sagte
aber, dass die Beamten demnächst Schritte dazu vorstellen würden, wie Bürger und
Unternehmen in Zeiten des Mangels an Elektrizität unterstützt werden könnten.
Als Beispiel nannte er neue Kreditprogramme mit völlig zinsfreien Angeboten.
"Alles sollte so schnell wie möglich funktionieren", sagte er.

Aktiv liefen zudem Verhandlungen mit europäischen Partnern mit dem Ziel, die aus dem Ausland importierten Strommengen zu erhöhen. Parallel dazu liefen
außerdem Reparaturarbeiten an Anlagen. Viele Kraftwerke und andere
Energieinfrastruktur sind durch die russischen Angriffe zerstört und beschädigt.
Wegen des Energiedefizits kommt es immer wieder zu Stromabschaltungen.

Weißes Haus: Orbans Reise nach Moskau ist "kontraproduktiv"

In seiner Videoansprache ging Selenskyj nicht auf den Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in Moskau bei Kremlchef Wladimir Putin ein. Wie
zuvor die Europäische Union und die Bundesregierung kritisierten auch die USA
die Reise, die Orban als Friedensmission darstellte. Die US-Regierung zeigte
sich "besorgt". Das Verhalten des Nato-Partners sei mit Blick auf die
Unterstützung der Souveränität der Ukraine "kontraproduktiv" und trage nicht zum
Frieden in dem von Russland angegriffenen Land bei, sagte die Sprecherin von
US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre.

"Russland könnte diesen Krieg noch heute beenden, indem es seinen Angriff
gegen die Ukraine, gegen ihre Souveränität und gegen ihre Demokratie aufgibt",
sagte sie weiter. Das ukrainische Außenministerium hatte die Gespräche Orbans
mit Putin scharf kritisiert und erinnerte daran, dass es keine Entscheidung zur
Ukraine ohne die Ukraine geben könne. Selenskyj hatte noch am Dienstag Orban in
Kiew zu seinem ersten Besuch dort seit Kriegsbeginn empfangen.

Orban war überraschend und begleitet von heftiger Kritik von EU-Vertretern,
westlichen Politikern und der Ukraine zu den Gesprächen mit Putin gereist. Die
EU betonte, dass der Ungar kein offizielles Mandat für Verhandlungen mit
Russland habe.

Selenskyj stimmt sich mit britischem Premier vor Nato-Gipfel ab

In der kommenden Woche steht der Nato-Gipfel in Washington an. Die Staats-
und Regierungschefs der 32 Mitgliedsstaaten des Verteidigungsbündnisses wollen
unter anderem über den Ukraine-Krieg und die Stärkung der eigenen Abschreckungs-
und Verteidigungsfähigkeiten beraten. Die Ukraine strebt in die Militärallianz,
hat aber aktuell keine Aussicht auf Aufnahme.

Selenskyj teilte mit, dass er sich vor dem Nato-Treffen auch mit dem neuen
britischen Premierminister Keir Starmer abgestimmt habe. Laut einer Mitteilung
im sozialen Netzwerk X gratulierte Selenskyj Starmer zum Sieg bei der Wahl in
Großbritannien. Der neue Premier habe der Ukraine die unerschütterliche
Unterstützung Großbritanniens auch durch die neue Regierung in London
zugesagt./mau/DP/he

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