19.06.2024 10:23:50 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Melonis Verfassungsreform nimmt erste Hürde

ROM (dpa-AFX) - Die Pläne für eine umstrittene Verfassungsreform von
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni haben eine erste Hürde genommen. Der
italienische Senat billigte am Dienstag einen entsprechenden Gesetzentwurf der
Rechtsregierung.

Direktwahl des Regierungschefs und Mehrheitsbonus

Die Verfassungsreform sieht vor, dass der Ministerpräsident in Zukunft nicht mehr vom Staatspräsidenten mit der Bildung einer Regierung beauftragt wird,
sondern direkt vom Volk für fünf Jahre gewählt wird. Außerdem soll ein
Mehrheitsbonus von 55 Prozent für die meistgewählte Partei eingeführt werden.
Mit diesem Bonus soll dem Wahlgewinner automatisch - auch wenn dieser nicht die
absolute Mehrheit der Stimmen erhält - eine komfortable Mehrheit sowohl in
Abgeordnetenkammer als auch Senat garantiert werden.

Der vom Senat gebilligte Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung wird nun zur
Abstimmung an die Abgeordnetenkammer gegeben. Der Gesetzentwurf erhielt am
Dienstag mit 109 Stimmen nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit, um ein
Referendum zu vermeiden. Es wird auch nicht erwartet, dass er in der
Abgeordnetenkammer eine solche erhält. Es handelte sich also nur um einen ersten
Schritt bis zur endgültigen Verabschiedung.

Denn für jede Verfassungsänderung ist in Italien eine Zweidrittelmehrheit in den beiden Kammern des Parlaments nötig. Sollte diese nicht zustande kommen,
muss darüber in einem Referendum abgestimmt werden. Zuletzt scheiterte der
damalige Regierungschef Matteo Renzi 2016 an einem Verfassungsreferendum. Er
musste daraufhin zurücktreten.

Aufruf zu vereinter Opposition

Die drei größten Oppositionsparteien demonstrierten am Dienstagabend mit
Tausenden Anhängern gegen die Reform. Elly Schlein von der sozialdemokratischen
PD rief die chronisch zerstrittene Linke dazu auf, sich gegen das Vorhaben der
Meloni-Regierung zu verbünden: "Dies ist ein entscheidender Schritt in der
italienischen und europäischen Geschichte. Seien wir bereit, geeint und
geschlossen." An der Demonstration nahm ebenfalls der Chef der
linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Giuseppe Conte, teil.

Unter den Regierungsparteien brach hingegen Jubel aus. Regierungschefin
Meloni bezeichnete das Votum als ersten Schritt, um die Demokratie zu stärken.
Durch die Reform würde zudem den italienischen Institutionen Stabilität
verliehen, was den Palastspielen ein Ende setzen und den Bürgern das Recht
zurückgeben würden, zu wählen, von wem sie regiert werden, schrieb Meloni am
Abend auf der Online-Plattform X (vormals Twitter).

Scharfe Kritik an Vorhaben der Regierung

Die Rechtsregierung in Rom will mit der Reform gegen die chronische
Instabilität italienischer Regierungen ankämpfen. Seit Ende des Zweiten
Weltkriegs hatte Italien insgesamt fast 70 Regierungen. Einig sind sich viele,
dass deshalb das politische System reformiert werden muss. Allerdings wird die
Reform von Opposition und Verfassungsrechtlern scharf kritisiert.

Sie befürchten, dass Melonis Reform dem Parlament und dem Staatspräsidenten
wichtige Kompetenzen entziehen könnte. Die Rolle des Staatspräsidenten mit
seiner ausgleichenden Schlüsselfunktion würde verringert. Sie bemängeln zudem,
dass sich die Macht auf eine einzige Person konzentrieren und so das Machtgefüge
auf den Kopf gestellt würde.

Meloni fast zwei Jahre an der Regierung

Im Herbst ist Meloni schon zwei Jahre an der Regierung. Seit Oktober 2022
regieren ihre ultrarechten Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) zusammen mit der
konservativen Partei Forza Italia und der rechtspopulistischen Lega. Die
Durchschnittsdauer italienischer Regierungen liegt bei 18 Monaten - Melonis
Rechtsallianz wäre dann für italienische Verhältnisse schon länger als üblich an
der Macht. Die Verfassungsreform als Lösung für die politische Instabilität war
eines der wichtigsten Wahlversprechen des Regierungsbündnisses./rme/DP/mis

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH