20.06.2024 13:14:03 - dpa-AFX: POLITIK: Umstrittene 'Chatkontrolle': Verhandlungen in EU vorerst gescheitert

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Verhandlungen zwischen den EU-Staaten um die
umstrittene "Chatkontrolle" im Kampf gegen Kinderpornografie sind unter anderem
wegen deutscher Bedenken vorerst gescheitert. Es habe sich abgezeichnet, dass
keine ausreichende Mehrheit erreicht werden würde, hieß es am Donnerstag von der
belgischen Ratspräsidentschaft. Der Vorsitz beschloss daher den Punkt von der
Tagesordnung zu nehmen.

Grundlage für die Pläne ist ein Vorschlag der EU-Kommission, wonach Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können,
ihre Dienste mithilfe von Software nach Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu
durchsuchen. Dieser war bereits mit Kompromissvorschlägen angepasst worden.
Kritiker sprachen jedoch immer wieder von einer "Chatkontrolle" und fürchten
Massenüberwachung.

Neuer Anlauf könnte auf sich warten lassen

Ungarn könnte bei seiner bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft ab Juli
erneut versuchen, eine Einigung zwischen den EU-Staaten zu erzielen. Über den
endgültigen Gesetzestext müssten die Länder dann noch mit Parlament und
Kommission verhandeln, bevor die neuen Regeln in Kraft treten könnten.

Dass die für Donnerstag geplante Abstimmung abgesetzt wurde, wertete
Bundesjustizminister Marco Buschmann als Erfolg der Bemühungen der
Bundesregierung. Der FDP-Politiker sagte, er freue sich, "dass meine
rechtsstaatlichen Bedenken auf fruchtbaren Boden gefallen sind". Es sei gut,
dass die Bundesregierung in dieser Frage mit einer Stimme spreche und sich
gemeinsam gegen ein anlassloses und massenhaftes Scannen - selbst
verschlüsselter - privater Kommunikation und von Daten in der Cloud
positioniere.

Deutschland wollte dagegen stimmen

Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, man gehe davon aus, dass die
Abstimmung aufgrund des deutschen Widerstands abgesagt worden sei.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Mittwoch erklärt, Deutschland
werde gegen den Vorschlag der Kommission in seiner jetzigen Form stimmen.

Auch 36 Politikerinnen und Politiker aus Europa hatten noch Anfang der Woche in einem offenen Brief an die EU-Mitgliedstaaten appelliert, gegen die Pläne zu
stimmen. Man sei davon überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen mit den
europäischen Grundrechten unvereinbar seien, hieß es in dem Papier. Zu den
Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören unter anderem die FDP-Politikerin
Marie-Agnes Strack-Zimmermann sowie Konstantin von Notz von den
Grünen./svv/DP/mis

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