23.05.2024 15:21:52 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2: Kritik an propalästinensischer Uni-Besetzung

(neu: Details)

BERLIN (dpa-AFX) - Radikale propalästinensische Aktivisten wollen Räume der
Berliner Humboldt-Universität so lange besetzen, bis ihre Forderungen erfüllt
sind. Am Donnerstagnachmittag wolle man bei einer geplanten
Diskussionsveranstaltung mit der Hochschulleitung über eine Verlängerung der
Besetzung verhandeln, sagte eine Sprecherin der Besetzer der Deutschen
Presse-Agentur.

Die Polizei stand bereit, die Besetzung zu beenden und die Aktivisten hinaus zu bringen, wenn die Universität ihre Duldung nicht über den Donnerstagabend
hinaus verlängert und eine Räumung verlangt. Es habe unter anderem auch
Sprechchöre mit Palästina-Bezug und teilweise mit verbotenen Inhalten gegeben,
teilte sie mit.

Vor dem besetzten Institut für Sozialwissenschaften standen am Donnerstag
Polizisten und Demonstranten. Am Gebäude hingen Transparente, unter anderem mit
der Aufschrift "Free Palestine". Im Hof hinter einem Zaun standen und saßen
einige Dutzend Besetzer, zum Teil mit Palästinensertüchern vermummt. Sie
skandierten in Sprechchören "Viva Palästina" und "Yallah Intifada". Intifada
bezieht sich auf Serien von Angriffen und Terroranschlägen von Palästinensern in
Israel und wird auch als Aufruf zur Gewalt interpretiert.

Laut der Aktivisten-Sprecherin übernachteten etwa 100 Besetzer im besetzten
Institut. Die Universität duldet die Besetzung bis Donnerstag um 18.00 Uhr, wie
Hochschulsprecherin Christiane Rosenbach sagte. Wie das weitere Vorgehen
aussehe, könne sie nicht sagen. "Es ist eine dynamische Situation", sagte sie.

Die CDU kritisierte die Duldung, denn sie könnte als Ermunterung für weitere Straftaten missverstanden werden, sagte Burkard Dregger, innenpolitischer
Sprecher der CDU-Fraktion. "In Berlin und an unseren Hochschulen ist kein Platz
für Hass und Antisemitismus. Wir werden nicht zulassen, dass irrlichternde
Aktivisten unsere Forschungsstätten als Bühne missbrauchen."

Die SPD-Fraktion forderte, "den strafbaren Handlungen und Sachbeschädigungen ein Ende" zu bereiten. "Besetzungen dürfen nicht zu Dauerlagen führen, das macht
sie polizeilich schwieriger zu bewältigen. (...) Der Dialog über den
Nahostkonflikt ist ohne illegale Aktionen leichter herstellbar."

Kritik kam auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Es gilt die
Autonomie der Lehre und gerade Universitäten sollten als Ort des Austauschs und
der Diskussion gelten", betonte Sprecher Benjamin Jendro. Das sei aber keine
Legitimationsgrundlage, um sich außerhalb des demokratischen Rahmens zu bewegen,
antisemitische und menschenverachtende Parolen zu grölen, verfassungsfeindliche
Plakate hochzuhalten und Sachbeschädigungen zu begehen.

Die Demonstranten besetzten die Räume am Mittwoch aus Protest gegen Israel
und zur Unterstützung der Palästinenser. Vor der Uni demonstrierten nach
Polizeiangaben rund 300 Menschen. Im Zuge der Proteste wurden demnach 23
propalästinensische Aktivisten kurzzeitig festgenommen, um deren Identität
festzustellen. Es handelte sich um 18 Männer und 5 Frauen, wie die Polizei am
Donnerstag mitteilte. Es wurden 25 Strafermittlungsverfahren eingeleitet, unter
anderem wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen,
Sachbeschädigung und Widerstands gegen die Polizei.

Die Besetzer der Gruppe namens Student Coalition Berlin werfen Israel in
einer Mitteilung "Völkermord" und "laufende Massenmorde" vor. Es gehe um die
"bedingungslose Solidarität mit dem palästinensischen Volk". Von Berliner
Hochschulen fordern sie unter anderem, dass diese sich für einen sofortigen und
bedingungslosen Waffenstillstand von Israel einsetzen und Druck auf die deutsche
Regierung ausüben solle. Diese solle ein Waffenembargo gegen Israel verhängen
und alle militärischen, finanziellen und diplomatischen Hilfen an Israel
beenden.

Der Konflikt im Nahen Osten ist inzwischen an deutschen Hochschulen
angekommen. Immer wieder gibt es Proteste gegen das Vorgehen Israels im
Gaza-Krieg und Aktionen von Studenten für die Solidarität mit den
Palästinensern. Eine Besetzung an der Freien Universität Berlin vor wenigen
Wochen war von der Polizei aufgelöst worden.

Nach dem Massaker der Hamas mit mehr als 1200 Toten am 7. Oktober in Israel
kamen im folgenden Gaza-Krieg laut der von der Hamas kontrollierten
Gesundheitsbehörde mehr als 35 000 Palästinenser ums Leben, wobei die unabhängig
kaum zu überprüfende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern
unterscheidet./anj/DP/ngu

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH