15.05.2024 06:30:04 - dpa-AFX: ROUNDUP: Kabinett soll Krankenhausreform auf den Weg bringen

BERLIN (dpa-AFX) - Die geplante große Reform für die Krankenhäuser in
Deutschland soll nach monatelangen Vorarbeiten auf den Weg kommen.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bringt am Mittwoch Gesetzespläne ins
Kabinett (11.00 Uhr), die die Milliarden-Finanzierung neu ausrichten sollen. Die
Ziele: weniger wirtschaftlicher Druck, mehr Spezialisierung und einheitliche
Qualitätsregeln. Gegen das Vorhaben gibt es anhaltende Kritik aus den Ländern
und der Klinikbranche, während die gesetzlichen Krankenkassen vor einer
Verwässerung wichtiger Aspekte warnen.

Lauterbach machte schon klar, dass es um nicht weniger als "eine Art
Revolution" für das Netz der 1700 Kliniken geht ? und man zum Erfolg verdammt
sei. "Springt uns der Ball vom Fuß, würden wir nicht nur ein ungeordnetes
Krankenhaussterben in den nächsten Jahren nicht mehr abwenden können, sondern
wir hätten auch mit Qualitätsdefiziten zu kämpfen, die für die Bürger sehr
schwer vermittelbar sind", argumentierte er kürzlich nach einer Besprechung mit
den Ländern.

Das Problem: Bisher bestehe "der ökonomische Anreiz, möglichst viele
Patientinnen und Patienten zu behandeln", heißt es im Entwurf. Das könne dazu
führen, dass gewisse Behandlungen nicht nur aus medizinischen Gründen, sondern
teils auch zur Erlössteigerung gemacht werden. Es entstehe das Risiko, dass
Kliniken vermeintlich weniger lukrative Leistungen nicht mehr anbieten oder den
Betrieb unabhängig vom regionalen Versorgungsbedarf einstellen. Da viele Häuser
bestimmte Leistungen nur selten vornehmen und so wenig Erfahrung haben, folgten
daraus Qualitätsdefizite, die sich "negativ auf das Wohl der Patientinnen und
Patienten auswirken können".

Neue Vergütung: Vor rund 20 Jahren wurden Fallpauschalen eingeführt, die das System effizienter machen sollten. Als Berater war damals auch Lauterbach dabei.
Seitdem bekommen Kliniken pro Behandlungsfall einen pauschalen Betrag. Künftig
soll es einen festen Sockel von 60 Prozent der Vergütung allein dafür geben,
dass Kliniken eine Grundausstattung mit Personal und Geräten für bestimmte
Leistungen vorhalten ? unabhängig von der Zahl der Fälle. Extra Zahlungen geben
soll es unter anderem für Kinderheilkunde, Geburtshilfe, Intensivmedizin und
Notfallversorgung.

Die Steuerung: Die neue Vorhaltevergütung soll eine Klinik für
"Leistungsgruppen" bekommen, die ihr das Land zuweist. Sie bilden medizinische
Leistungen ab, und zwar präziser gefasst als grob benannte Fachabteilungen.
Ausgangspunkt sollen 65 Gruppen sein, die maßgeblich auf ein Modell aus
Nordrhein-Westfalen zurückgehen. Sie heißen etwa "OPs an der Wirbelsäule" oder
"Leukämie". Mit definiert werden jeweils einheitliche Qualitätsvorgaben zu
Fachpersonal und Ausstattung. Das soll bewirken, dass etwa Krebsbehandlungen in
Kliniken mit Spezialkenntnissen laufen.

Kleine Kliniken: Die Vorhaltevergütung soll auch eine Existenzsicherung für
kleinere Häuser gerade in ländlichen Regionen schaffen. Die für Planung
zuständigen Länder sollen außerdem Standorte zu "sektorenübergreifenden
Versorgungseinrichtungen" bestimmen können. Diese sollen "wohnortnah stationäre
Krankenhausbehandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden",
wie es im Entwurf heißt.

Finanzspritzen: Angesichts von Finanznöten vieler Kliniken sollen die
Lohnkosten für alle Beschäftigten schon von diesem Jahr an nicht mehr nur zur
Hälfte, sondern voll von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden. Im
Lager der Kassen keimen da schon Sorgen mit Blick auf kommende Tarifrunden. Um
den Wandel zu den neuen Strukturen zu unterstützen, soll ein
"Transformationsfonds" kommen, aus dem von 2026 bis 2035 bis zu 25 Milliarden
Euro aus Mitteln der gesetzlichen Kassen fließen könnten ? sofern sich Länder
jeweils in gleicher Höhe an der Finanzierung beteiligen.

Kosten: Auf die Kassen kommen Mehrausgaben zu ? allein ein mittlerer
dreistelliger Millionenbetrag für die volle Übernahme der Lohnkosten 2024.
"Zusätzlich ergeben sich ab dem Jahr 2025 noch nicht bezifferbare jährliche
Mehrkosten", heißt es im Entwurf. Dem stünden ab 2025 Effizienzgewinne und
Minderausgaben wegen einer stärker koordinierten, hochwertigeren Versorgung
gegenüber. Die Ausgaben für Klinikbehandlungen stiegen zuletzt auf 94 Milliarden
Euro ? das war etwa ein Drittel aller Leistungsausgaben. Um die Kliniken zu
entlasten, soll die Einzelprüfung aller Rechnungen, die sie den Kassen schicken,
durch Stichproben abgelöst werden.

Zeitplan: Der lange Anlauf zur Reform begann schon am Nikolaustag 2022, als
eine Regierungskommission ein Konzept dafür empfahl. Lauterbach peilt die erste
Lesung im Bundestag noch vor der Sommerpause an. In Kraft treten soll das Gesetz
dann zum 1. Januar 2025. Wie reibungslos der Prozess läuft, muss sich zeigen.
Die Ampel-Koalition steht in der Frage zusammen, mit den Ländern köchelt aber
weiter Streit. Dabei hat Lauterbach das Gesetz nicht mehr so angelegt, dass es
im Bundesrat zustimmungsbedürftig ist. Umgesetzt werden soll die neue Struktur
später Schritt für Schritt. So soll die neue Vorhaltevergütung ab 2027
"budgetwirksam" werden./sam/DP/zb
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