20.06.2024 10:58:07 - dpa-AFX: ROUNDUP: Ministerium kippt umstrittene Verpackungsregel für Shisha-Tabak

BERLIN (dpa-AFX) - Nach scharfer Kritik kassiert das Bundesfinanzministerium
eine umstrittene Verpackungsregel für Shisha-Tabak. Wie aus einer Verordnung des
Ministeriums hervorgeht, wird die Höchstgrenze von 25 Gramm pro Packung
Wasserpfeifentabak aufgehoben. Ab dem 1. Juli seien wieder alle Packungsgrößen
freigegeben. Das Regelwerk liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Damit vollziehen das Ministerium und der Zoll einen Kurswechsel: Mitte 2022
war die Höchstgrenze eingeführt worden, um dem grassierenden Steuerbetrug in der
Shisha-Branche Einhalt zu gebieten. Denn viele Bars kauften große Packungen und
verkauften kleine Einzelportionen an die Kundschaft weiter. Dadurch zahlten sie
weniger Steuern an den Fiskus, als sie es hätten tun müssen - sie widersetzten
sich dem "Vereinzelungsverbot". Die Ordnungshüter kannten das Problem und gingen
in Razzien immer mal wieder dagegen vor. Gelöst wurde das Problem dadurch nicht,
viele Barbesitzer machten weiter wie zuvor.

Die Verpackungsregel sollte die Lösung sein: Weil ab Mitte 2022 nur noch
25-Gramm-Packungen erlaubt waren, war eine Aufteilung des Inhalts - also die
"Vereinzelung" - angesichts der geringen Menge gar nicht mehr möglich. Als Folge
der neuen Regel würden die Steuereinnahmen anziehen, schätzte das
Bundesfinanzministerium. Doch diese Annahme erwies sich als Trugschluss: Der
Fiskus nahm nicht mehr ein, sondern deutlich weniger.

Schwarzmarkt boomt

Nach Lesart des Bundesverbandes Wasserpfeifentabak lagen die rückläufigen
Steuereinnahmen an einem Boom des Schwarzmarktes. Der Konsum sei stabil
geblieben, sagte Verbandsgeschäftsführer Folke Rega und begründete diese Annahme
mit dem stabilen Verkauf von spezieller Shisha-Kohle. Ein Großteil davon werde
genutzt, um den Schwarzmarkt-Tabak anzuzünden. Wegen der Verpackungsvorschrift
hatten sich die Preise für den Wasserpfeifentabak etwa verdoppelt. Der legale
Markt brach laut Verband auf nur noch ein Zehntel des Niveaus von 2021 ein, also
von vor Einführung der Verpackungsregel. Erste Händler machten dicht, andere
Firmen bekamen allmählich Schlagseite.

Die Kritik gegen die Verpackungsregel wuchs, die Unterstützer der
Wasserpfeifen-Branche kamen aus ganz unterschiedlichen Ecken. So wiesen
Umweltschützer darauf hin, dass es durch die Pflicht zur 25 Gramm-Packung - so
viel reicht in etwa für einen Wasserpfeifen-Kopf - deutlich mehr Verpackungsmüll
gebe als vorher, also wenn man 200, 500 oder 1000 Gramm-Packungen nimmt und in
Relation zur Menge deutlich weniger Plastik nötig ist.

Positive Reaktionen auf Rücknahme

Mit der Verordnung ziehen das Bundesfinanzministerium und der ihm
unterstellte Zoll nun die Reißleine, die noch von Schwarz-Rot eingeführte
Regelung ist bald Geschichte. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Till Mansmann zeigte
sich erleichtert. "Mit der Einführung der Mengenbegrenzung bei
Wasserpfeifentabak haben Union und SPD vor allem den Schmugglern und Betrügern
ein Geschenk gemacht, die seitdem in großem Stil illegale Produkte auf den Markt
gebracht haben." Leidtragende seien steuerehrliche Betriebe gewesen, die in die
Insolvenz getrieben worden seien.

Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Wasserpfeifentabak, Rega, äußerte
sich ebenfalls positiv. "Für die Betriebe, die noch nicht aufgegeben haben,
bedeutet die Regeländerung Rettung in letzter Sekunde. Die Existenz einer ganzen
Branche war in Gefahr, sie hätte vor dem Schwarzmarkt kapitulieren müssen."

Daumen rauf signalisierte auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Die
Regelung war ein Geschenk an die organisierte Kriminalität", sagte der
Vorsitzende der GdP-Bezirksgruppe Zoll, Frank Buckenhofer. Nun begrüße man die
Rücknahme dieser untauglichen Vorgabe.

Verband hofft auf weitere Änderungen

Der Verband appellierte an die Bundesregierung, einen weiteren Schritt zu
gehen und den Verkauf von Portionen, die aus großen Packungen entnommen werden,
in Shisha-Bars zuzulassen - also das seit langem geltende "Vereinzelungsverbot"
zu kippen. "Das wäre Rückenwind für die ehrlichen Barbetreiber, die sich an
staatliche Regeln halten wollen." Diese Regeln müssten allerdings auch
"alltagstauglich" sein.

Ab dem 1. Juli ist der Verkauf großer Packungen also wieder erlaubt in
Deutschland. Allerdings ist die Regeländerung sehr kurzfristig. "Daher kann es
noch einige Zeit dauern, bis große Packungen wieder verfügbar sind", sagte Rega.
Ende Juli dürften die meisten Marken wieder in großen Packungen zu haben sein.

In Deutschland gibt es schätzungsweise 5000 Shisha-Bars, in denen circa ein
Viertel des in Deutschland verkauften Wasserpfeifen-Tabaks konsumiert wird - der
Rest entfällt auf den privaten Bedarf. Laut Verbandsangaben gibt es circa 2500
Verkaufspunkte wie Kioske und Tankstellen, sowie circa 200
Großhändler./wdw/DP/mis

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