23.06.2024 14:56:42 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Schutz vor Asteroiden: Brocken aus dem All werden streng überwacht

MÜNCHEN/FRASCATI (dpa-AFX) - Der etwa 350 Meter große Asteroid Apophis
fliegt im April 2029 knapp an der Erde vorbei. Er kommt ihr dabei näher, als
einige Satelliten von ihr entfernt sind. Der Abstand des Asteroiden von dann nur
rund 32 000 Kilometern zur Erdoberfläche ist in den Weiten unseres Sonnensystems
fast nichts, in diesem Fall aber gerade genug, um einen katastrophalen Crash zu
vermeiden.

"Das wäre schon ziemlich unangenehm, wenn der in die Atmosphäre eintreten
würde", sagt der Asteroidenexperte Detlef Koschny, der die Professur für Lunare
und Planetare Exploration an der Technischen Universität München innehat. Treffe
so ein Asteroid die Erde, spüre ein ganzes Land die Auswirkungen davon. Bei der
Größe von Apophis sei neben einer Schockwelle auch mit extrem heißer Luft zu
rechnen, die Sachen entflammen könnte.

Asteroidenabwehr keine Theorie mehr

Fachleute haben neben Apophis noch Zehntausende weitere Asteroiden im Blick, die in die nähere Umgebung der Erde kommen könnten. Am 30. Juni, dem
Internationalen Tag des Asteroiden, wird auf die Bedrohungen und Chancen der
Himmelskörper aufmerksam gemacht.

Dabei ist die Menschheit mittlerweile nicht mehr ganz wehrlos gegen sie.
"Bei einem Objekt dieser Größe würden wir wirklich schauen, dass wir das
irgendwie ablenken können", sagt Koschny über Apophis. Um die möglichen
Dimensionen klarzumachen, erinnert der Fachmann an einen Krater mit 1,5
Kilometern Durchmesser im US-Bundesstaat Arizona - dieser sei durch den
Einschlag eines nur 50 Meter großen Objekts entstanden.

Mittlerweile ist es keine Science Fiction mehr: Rechtzeitig erkannte und
potenziell für die Erde gefährliche Asteroiden können mit einiger
Wahrscheinlichkeit von ihrer Bahn abgelenkt werden. Als Teil einer Mission der
US-Raumfahrtbehörde Nasa und der europäischen Raumfahrtbehörde Esa schlug im
September 2022 die Nasa-Sonde "Dart" gezielt in den kleineren Teil eines
Doppelasteroiden ein. Der Aufschlag veränderte die Umlaufbahn des kleinen
Dimorphos um den größeren Teil namens Didymos. Noch in diesem Jahr soll die
Esa-Sonde "Hera" starten, um noch genauere Messwerte über den Doppelasteroiden
und den Aufschlag zu bekommen.

Einschlagskrater oder Verformung? Europäer wollen aufklären

"Wir wissen ziemlich genau, was da passiert ist beim "Dart"-Einschlag", sagt der Esa-Chef-Koordinator für die Asteroidenabwehr, Richard Moissl, der mit
seinem Team in Frascati bei Rom sitzt. Ziel der "Hera"-Mission sei zu
untersuchen, wie der Asteroid jetzt aussieht und welche Struktur und Dichte er
aufweist. "Dadurch erhalten wir ein viel besseres Verständnis, was genau beim
"Dart"-Impact passiert ist und auf welchen Körper wir da draufgehauen haben."
Deswegen sei "Hera" die wichtige zweite Komponente der Mission.

Das sieht auch Koschny so. Mit "Dart" habe man gezeigt, dass ein Ablenken
geht. "Aber wenn ich wirklich verstehen will, was da passiert, dann muss ich
noch ein paar Sachen mehr wissen, zum Beispiel: Wie schwer war das Objekt, das
wir getroffen haben?" Vielleicht gebe es dort einen Einschlagskrater oder
vielleicht habe sich das Objekt verformt. Das könne man von der Erde aus nicht
bestimmen.

Asteroiden in der jüngeren Vergangenheit zeigen Gefahren

Asteroiden sind bei der Entstehung unseres Sonnensystems übrig gebliebene
Brocken. Die größeren unter ihnen könnten durchaus eine Gefahr darstellen für
das Leben auf der Erde, wie wir es kennen. So war es wohl ein etwa 10 bis 15
Kilometer großer Asteroid, der zum Aussterben der Dinosaurier führte. Aber auch
schon bei einigen Metern Größe können die Brocken aus dem All immense Schäden
anrichten.

Vermutlich war es ein Asteroid von einer Größe zwischen 40 und 50 Metern,
der am 30. Juni 1908 über Sibirien runterging. Die Druckwelle der Explosion
knickte Millionen Bäume in Tunguska um, auf einer Fläche fast so groß wie das
Saarland. Mit Blick auf dieses Ereignis riefen die Vereinten Nationen später den
Asteroidentag aus. Im Februar 2013 explodierte ein etwa 20 Meter großer Asteroid
über der Millionenstadt Tscheljabinsk. Durch die Druckwelle wurden rund 1500
Menschen verletzt, meist durch splitterndes Fensterglas.

Es werden immer mehr der Brocken entdeckt

"Rund 1,3 Millionen Asteroiden sind mit guten Bahninformationen bekannt. Das werden jährlich und kontinuierlich mehr", sagt Moissl. Die Raumfahrtbehörden
entdecken ständig neue, darunter auch ungewöhnliche Konstellationen wie den
Asteroiden Dinkinesh mit einem Doppelmond. Die meisten dieser Asteroiden sind im
Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter zu finden.

"Für uns sind die Erdbahn kreuzenden Asteroiden von besonderem Interesse",
sagt Moissl über sogenannte NEO (Near-Earth Objects). Bei den allermeisten
spreche man aber über eine Kollisionswahrscheinlichkeit von eins zu einer
Million oder sogar noch weniger. "Alle weltweit bekannten NEO werden von uns
periodisch geprüft", erklärt er. Denn: "Die Bahnen der Asteroiden sind ja nicht
in Stein gemeißelt." Für die rund 35 000 derzeit bekannten erdnahen Brocken
werden die Szenarien für die nächsten hundert Jahre immer wieder durchgespielt.

Zurzeit gebe es keinen großen Asteroiden, den man auf Kollisionskurs sehe,
sagt Moissl. Und auch Koschny sieht keine Crash-Gefahr. Es gebe auch bei der Esa
eine Risikoliste. "Da war jetzt nichts drauf, wo ich mir Sorgen machen würde."

Chance für die Wissenschaft

Apophis, der die Erde quasi nur um Haaresbreite verfehlt, bietet Moissl
zufolge auch große Chancen. Es gibt Pläne, dort eine Sonde hinzuschicken. Denn
der Asteroid fliege so nah an der Erde vorbei, dass man viel über die
Wechselwirkung mit der Erde herausfinden könne, sagt der Esa-Spezialist. "Es ist
eine wunderbare, einmalige Gelegenheit."/opi/DP/he

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