04.07.2024 05:42:45 - dpa-AFX: VERMISCHTES: 'Ungeheuer von Loch Neuss' - Jagd auf Alligator Sammy vor 30 Jahren

DORMAGEN (dpa-AFX) - Er war einer der berühmtesten Stars des berüchtigten
Sommerlochs: Kaiman Sammy. Die Suche nach dem ausgebüxten Alligator sorgte vor
30 Jahren international für Aufsehen. Sammy hatte sich von der Leine
losgerissen, als sein Besitzer mit ihm einen Badeausflug zu einem Baggersee bei
Dormagen am Niederrhein machen wollte. Tagelang hielt die Suche nach dem kleinen
Krokodil Polizei, Feuerwehr und Medien in Atem und bewegte die ganze Nation.

Nach Sammys Flucht am 10. Juli 1994 bliesen die Behörden zur Großwildjagd.
Aus Furcht vor dem 80 Zentimeter langen Reptil mit den messerscharfen Zähnen
blieb der idyllische Badesee in jenem heißen Sommer tagelang gesperrt. Von einer
"Bestie vom Baggersee" und dem "Ungeheuer von Loch Neuss" war die Rede.
Fotografen und Kamerateams aus dem In- und Ausland bezogen Stellung am Seeufer.
Zoologen und andere "Experten" - vom kenianischen Krokodiljäger bis zum
Hellseher
- übertrafen sich mit guten Ratschlägen.

Sammy fällt nicht auf Tricks herein

Doch ob mit Schleppnetzen, Keschern oder Gewehren - alle Versuche, den
Brillenkaiman an Land oder im Wasser einzufangen, schlugen zunächst fehl. Auf
Tricks wie einen Brunftruf-Imitator und einen Köder aus blutigem Rinderfilet
fiel Sammy nicht herein. Mehrmals kamen Feuerwehrleute in Schlauchbooten bis auf
zwei Meter an den Ausreißer heran, dann tauchte er einfach ab und war wieder
verschwunden.

Der angeblich so zutrauliche Kaiman, der zuvor in der Wohnung seines damals
21-jährigen Besitzers gelebt hatte, fand offenbar zunehmend Geschmack an der
Freiheit und genoss seinen "Badeurlaub" in dem See, der mit Sandbänken und
dichtem Ufergebüsch zahlreiche Verstecke bot.

In der dritten Nacht nach Sammys Flucht dann die Meldung: Das Reptil sei
erschossen worden. "Mit 99-prozentiger Sicherheit" sei einer von drei Schüssen
auf ihn tödlich gewesen, teilte die Polizei mit. Doch weit gefehlt: Einige
Stunden später wurde Sammy lebendig gesichtet.

Ein Taucher als Held

Inzwischen forderten immer mehr Stimmen Gnade für Sammy. Ein Fanclub
gründete sich, Vereine und Wissenschaftler aus ganz Deutschland verlangten, sein
Leben zu schonen. Sogar der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor
(SPD) schaltete sich ein und verlangte: "Sammy muss leben!"

Nach fünf Tagen schließlich nahm Sammys Ausflug in die Freiheit ein
glückliches Ende: Ein Sporttaucher entdeckte den Kaiman etwa einen Meter unter
der Wasseroberfläche - und fing ihn mit bloßen Händen.

Der erschöpfte Sammy erholte sich danach zunächst im Kölner Zoo, ehe er Exil im Tierpark Falkenstein in Sachsen fand. Sammys Besitzer kämpfte vor
verschiedenen Gerichten um seinen Freund und durfte ihn zeitweise wieder bei
sich aufnehmen, ehe der Mann 1998 vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht
endgültig scheiterte.

Skippy, Bruno und Yvonne

Den Tierpflegern in Sachsen wurde Sammy, der als kleiner Alligator noch brav im Bett seines früheren Besitzers gekuschelt hatte, mit der Zeit zu gefährlich.
2006 gab der Tierpark das inzwischen etwa anderthalb Meter lange Reptil "aus
Sicherheitsgründen" ab. Bis zu seinem Tod im Jahr 2013 lebte Sammy allein in
einem Gehege auf einer Alligator-Farm in Hessen.

Tierische Stars beherrschen immer wieder die Schlagzeilen und bewegen die
Gemüter - manchmal wochenlang. Känguru Skippy etwa hüpfte 2015 munter durchs
Sauerland, die Kuh Yvonne flüchtete 2011 erfolgreich vor dem Schlachter, Schwan
Petra verliebte sich auf dem Aasee in Münster in ein Schwanen-Tretboot und der
durch die bayerischen Wälder stapfende Braunbär Bruno schaffte es 2006 bis in
die "New York Times"./pa/DP/zb

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