25.06.2024 23:23:21 - dpa-AFX: POLITIK: Spitze der Kurdischen Gemeinde gegen neues Staatsangehörigkeitsgesetz

BERLIN (dpa-AFX) - Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland,
Ali Ertan Toprak, kritisiert das am Donnerstag in Kraft tretende neue
Staatsangehörigkeitsgesetz. "Ich halte das Gesetz in dieser Form für falsch",
sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Denn ich möchte nicht, dass
Antisemiten, türkische Nationalisten und Islamisten den deutschen Pass bekommen.
Wir haben schon genug Nazis in diesem Land."

Toprak machte deutlich, dass er "ab der dritten Gastarbeitergeneration einen Schnitt gemacht" hätte. Schließlich sollten sich die in Deutschland geborenen
Kinder mit diesem Land identifizieren. "So, wie das Gesetz jetzt ist, gibt es
aber irgendwann nur noch doppelte Staatsbürger", so Toprak.

Nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht, das am 27. Juni in Kraft tritt,
können Zuwanderer schneller die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.
Einbürgerungen sind damit schon nach fünf statt bisher acht Jahren möglich, bei
"besonderen Integrationsleistungen" sogar nach drei Jahren. Mehrstaatigkeit wird
generell zugelassen.

Türkische Gemeinde rechnet mit 50 000 Anträgen pro Jahr

Bei den Einbürgerungsbehörden gibt es dazu schon seit Wochen viele Anfragen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Landesregierungen und
Stadtverwaltungen gezeigt hat. Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in
Deutschland, Gökay Sofuoglu, rechnet mit einem starken Anstieg der Anträge. "Die
Leute haben inzwischen verinnerlicht, dass es eine doppelte Staatsbürgerschaft
geben wird", sagte er dem RND. "Und viele stellen jetzt so schnell wie möglich
einen Antrag. Ich rechne mit 50 000 Anträgen pro Jahr."

Nach Einschätzung von Sofuoglu haben viele Antragsteller im Hinterkopf, dass sie nach einer Einbürgerung bereits im nächsten Jahr an der Bundestagswahl
teilnehmen könnten. "Ich appelliere daher an die Parteien, sich klarzumachen,
dass die Antragsteller potenzielle Wählerinnen und Wähler sind", sagte er. "Wenn
man die gewinnen will, dann muss man eine entsprechende Politik machen. Dazu
gehört, in den Parteien mehr Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen - und
Rassismus ernsthaft zu bekämpfen."/wn/DP/he

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