20.05.2024 18:51:37 - dpa-AFX: WDH/STICHWORT: Ebrahim Raisi - Hardliner mit kurzem Draht zu Chamenei

(Formulierung im 3. Absatz präzisiert)

BERLIN/TEHERAN (dpa-AFX) - Ebrahim Raisi, seit August 2021 Präsident des
Irans, galt als erzkonservativer Hardliner. Als Wunschkandidat und Protegé des
Religionsführers Ajatollah Ali Chamenei hatte er die Präsidentenwahl im Juni
2021 mit knapp 62 Prozent der Stimmen gewonnen. Der Kleriker wurde damit
offiziell Nachfolger des eher moderaten Hassan Ruhani, der nach zwei
Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Jetzt ist Raisi im Alter von 63 Jahren
beim Absturz eines Hubschraubers ums Leben gekommen - ebenso wie Außenminister
Hussein Amirabdollahian.

Der 1960 in Maschad im Nordosten des Irans geborene Raisi galt innerhalb des islamischen Systems als sehr einflussreich. Er pflegte ein enges Verhältnis zu
Chamenei. Laut Verfassung war Raisi Regierungschef, während die eigentliche
Macht auf das Staatsoberhaupt Chamenei konzentriert ist, der in allen
strategischen Belangen das letzte Wort hat.

Raisi war über drei Jahrzehnte in der Justizbehörde tätig, 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll er im Jahr
1988 für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten
verantwortlich gewesen sein, weshalb seine Gegner ihm den Beinamen "Schlächter
von Teheran" verpassten.

Im Herbst 2022 löste der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini massive
Proteste im Iran aus. Die junge Frau starb im Polizeigewahrsam, nachdem sie von
der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften
festgenommen worden war. In der Folge demonstrierten landesweit Zehntausende
gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem.

Die Sicherheitskräfte reagierten mit Gewalt und harten Strafen. Zehntausende Demonstranten wurden verhaftet, viele bei den Protesten getötet, mehrere
hingerichtet. Die Proteste stürzten die politische Führung in die schwerste
Krise seit Jahrzehnten.

Die EU beschloss mehrfach Sanktionen gegen den Iran - wegen
Menschenrechtsverletzungen, aber auch wegen der iranischen Unterstützung des
russischen Kriegs gegen die Ukraine. Zugleich wächst die Sorge, dass der Iran
zur Atommacht wird. Die internationalen Atomverhandlungen mit Teheran sind in
eine Sackgasse geraten. Unter Raisis Regierung verschlechterte sich auch die
Beziehung zum Westen.

Zutiefst verfeindet ist der Iran mit Israel. Im April griff der Iran Israel
erstmals nicht über regionale Stellvertreter wie die Huthi-Rebellen im Jemen
oder die Hisbollah-Miliz im Libanon an, sondern direkt - in Reaktion auf die
Bombardierung des iranischen Botschaftsgeländes in Syriens Hauptstadt Damaskus.
Auch dieser Angriff hat die Furcht vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten
geschürt./wn/DP/he

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH