23.05.2024 06:14:34 - dpa-AFX: Studie: Erdgasversorgung auch ohne Importe aus Russland gesichert

BERLIN (dpa-AFX) - Ein Einfuhrverbot von russischem Erdgas in die EU würde
die Gas-Versorgung in der Europäischen Union laut einer Studie des
Wirtschaftsforschungsinstituts DIW nicht gefährden. Selbst wenn die Gasnachfrage
in der EU bis zum Jahr 2030 hoch bliebe, wäre ein vollständiger Verzicht auf
russisches Erdgas möglich, heißt es in der Studie. Sie lag der Deutschen
Presse-Agentur am Donnerstag vorab vor.

Studie: Versorgungssicherheit steht weiteren EU-Sanktionen nicht im Weg

"Der Gasbedarf könnte durch Pipeline-Importe aus anderen Ländern und LNG
ohne Ausbau der Infrastruktur in fast allen Szenarien gedeckt werden", schreiben
die Autoren. Auch in sehr von russischem Erdgas abhängigen mittel- und
osteuropäischen EU-Ländern wie Österreich und Ungarn könnte die Versorgung
sichergestellt werden. "Die Versorgungssicherheit steht also weiteren
EU-Sanktionen gegen Russland nicht im Weg", heißt es in der Untersuchung.
Grundlage der Studie waren Modelle, die sowohl mit schnell als auch mit langsam
sinkender Erdgasnachfrage rechneten.

Zwar importiere die EU nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nur noch
ein Viertel der ursprünglichen Menge aus Russland. "Dennoch bleibt das Land
Exporteur von Flüssigerdgas (LNG) nach Europa und hat auch noch einige Länder
Mittel- und Osteuropas energiepolitisch im Griff."

Österreichs Gasimporte kamen im März zu 93 Prozent aus Russland

EU-weit decke Russland derzeit noch rund 14 Prozent der Erdgasnachfrage.
"Doch Deutschland und Europa kämen in den kommenden Jahrzehnten auch ohne
Importe aus Russland aus, selbst die stark von russischem Erdgas abhängigen
Länder wie Österreich und Ungarn", erklärte Autorin Franziska Holz. In
Österreich kamen im März 2024 nach Angaben des Bundesministeriums für Energie 93
Prozent der Gasimporte aus Russland, im Dezember 2023 sogar 98 Prozent.

Würde die EU doch noch Sanktionen gegen russisches Erdgas verhängen, würde
die Lücke vor allem über Norwegen und die USA geschlossen, so die Studie weiter.
"Aber auch Länder wie Algerien, Katar, Nigeria und Aserbaidschan würden den
Wegfall des russischen Erdgases ersetzen - selbst dann, wenn die Nachfrage in
der EU nicht so schnell wie geplant sinken würde."

Eine Verteilung der Importe auf mehr Bezugsquellen halten die Autorinnen und Autoren für dringend geboten. "Alle europäischen Länder haben verstanden, dass
sie ihren Bedarf auf mehr Erdgasquellen verteilen müssen, als sie das früher
getan haben." Der Import von LNG werde dabei in allen Szenarien wichtiger, vor
allem bei einem verzögertem Nachfragerückgang-Szenario, das einen konstant hohen
Verbrauch bis Anfang der 2030er Jahre annehme.

DIW hält geplanten Ausbau an LNG-Importterminals für überdimensioniert

"Wenn die fünf Milliarden Kubikmeter LNG entfielen, die die EU derzeit pro
Quartal noch aus Russland bezieht, könnten diese Importe aber in fast allen
Szenarien ohne die derzeit in Planung befindlichen Ausbauten auskommen", betonte
Studienautor Christian von Hirschhausen. Lediglich in einem Szenario müssten die
vorhandenen LNG-Kapazitäten in der EU in Italien und Kroatien leicht erweitert
werden. "Der derzeit geplante Ausbau an LNG-Importterminals ist stark
überdimensioniert", meinte von Hirschhausen.

Die europäische Energiewirtschaft steuere auf einen Erdgasausstieg zu,
erklärte die Leiterin der DIW-Abteilung Energie, Claudia Kemfert. Der rasche
Umstieg auf erneuerbare Energien sei nicht nur klimapolitisch sinnvoll. "Er
trägt auch maßgeblich dazu bei, bestehende Importabhängigkeiten und damit die
vermeintliche Erpressbarkeit einiger europäischer Staaten zu
verringern."/tob/DP/stk

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