15.07.2024 16:20:33 - dpa-AFX: ROUNDUP/Haushalt: Die Regierung sucht noch acht Milliarden Euro

BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung will ihren heftig umkämpften Haushalt
für 2025 in dieser Woche offiziell auf den Weg bringen - obwohl noch immer nicht
ganz klar ist, wie ein Milliardenloch gestopft werden kann. Gelingt das nicht,
muss unter Umständen nochmal neu verhandelt werden.

Erst einmal aber ist für Mittwoch ein Beschluss im Kabinett geplant. Danach
geht der Etatentwurf in den Bundestag, wo er noch verändert werden kann und kurz
vor Jahresende beschlossen werden soll.

Wochenlang hatten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck
(Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) immer wieder über Stunden im
Kanzleramt zusammengesessen. Sie sollen buchstäblich jeden Stein im Etat
umgedreht haben, um ein mehr als 30 Milliarden Euro großes Finanzierungsloch zu
stopfen. Eine Aufgabe, die auf dieser Detailebene sonst eigentlich
Staatssekretäre übernehmen - und die zeigt, wie ernst es zwischenzeitlich wohl
um die Ampel-Koalition stand. Anfang Juli dann die Grundsatzeinigung nach einer
Marathonsitzung. Wie es jetzt weitergeht:

Neuer Spielraum 2024

Für das laufende Jahr verschafft sich die Bundesregierung mit einem
Nachtragshaushalt etwas mehr Spielraum. Weil die Konjunktur so schleppend läuft,
darf sie 11,3 Milliarden Euro mehr Schulden aufnehmen als bisher gedacht. Das
soll ausgenutzt werden. Damit steigt die Kreditaufnahme für 2024 auf 50,3
Milliarden Euro, wie Zahlen aus dem Finanzministerium zeigen.

Das Geld soll zum großen Teil in den sogenannten Klima- und
Transformationsfonds fließen, aus dem unter anderem die Förderung von Ökostrom
bezahlt wird. Außerdem wird ausgeglichen, dass es wegen der schlechten
Wirtschaftslage mehr Bedarf an Bürgergeld gibt und die Steuereinnahmen geringer
ausfallen. Anfang November soll der Nachtragshaushalt vom Bundestag beschlossen
werden.

Milliardenlücke 2025

Auch der Etat für das kommende Jahr soll idealerweise im November durch den
Bundestag. Doch hier hat die Koalition noch einiges an Arbeit vor sich - denn
nach wie vor klafft ein Milliardenloch. Zwar ist es üblich, dass die Regierung
eine sogenannte globale Minderausgabe einplant. Sie wettet damit darauf, dass
die Ministerien es unter dem Strich nicht schaffen werden, das gesamte
eingeplante Geld auch wirklich auszugeben. Doch dieses Mal ist die eingepreiste
Lücke mit 17 Milliarden Euro besonders hoch.

Dafür, wie 8 von den 17 Milliarden Euro aufzutreiben wären, hat man in der
Bundesregierung bereits Ideen - doch es ist noch nicht klar, ob diese
verfassungsrechtlich und wirtschaftlich auch tragen. Unter anderem wird geprüft,
ob milliardenschwere Zuschüsse an die Bahn und die Autobahngesellschaft durch
Darlehen ersetzt werden können. So würde das Geld nicht auf die Schuldenbremse
angerechnet. Sollten die Prüfungen negativ ausfallen, muss die Ampel-Koalition
womöglich noch einmal neu über Sparmaßnahmen beraten.

Dabei waren die Haushaltsverhandlungen in diesem Jahr bereits
außerordentlich hart. Letztlich einigten sich Scholz, Habeck und Lindner, die im
Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einzuhalten - ein Punktsieg für die FDP,
doch die SPD im Bundestag hat die Idee noch nicht völlig aufgegeben, wegen
finanzieller Belastungen durch den Ukraine-Krieg doch noch eine Ausnahmeregel zu
ziehen.

Einschnitte mussten vor allem das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium und das Entwicklungsministerium hinnehmen. Ein Plus dagegen gab es unter anderem
für das Verteidigungsressort - allerdings mit 1,25 Milliarden lange nicht so
deutlich, wie sich Minister Boris Pistorius das gewünscht hatte. Insgesamt sieht
der Etatentwurf eine Neuverschuldung von 43,8 Milliarden Euro vor, der Spielraum
der Schuldenbremse wird damit voll ausgeschöpft.

Düstere Aussichten für die Zeit danach

In den Jahren nach 2025, so heißt es im Finanzministerium, könnten die
Etatverhandlungen sogar noch mehr Probleme machen. Lindners Ressort warnt vor
einer "relativ hohen Versteinerung des Haushalts". Sehr viel Geld sei schon
gebunden, durch gesetzliche Ansprüche der Bevölkerung, durch steigende
Sozialausgaben einer alternden Gesellschaft und durch einzuhaltende Quoten wie
bei den Verteidigungsausgaben.

Schon jetzt machten Sozialausgaben, Zinsen und Personal 62 Prozent des
Bundeshaushalts aus - Geld, das man nicht mehr flexibel einsetzen kann. In der
Finanzplanung für die Jahre 2026 bis 2028 klafft so eine Finanzierungslücke von
zusammen 65 Milliarden Euro.

Paket für mehr Wirtschaftskraft auch im Kabinett

Helfen soll ein Paket, das die Wirtschaft in Deutschland wieder
konkurrenzfähig machen und so zum Beispiel auch Steuereinnahmen bringen soll.
Eckpunkte hierzu sollen ebenfalls am Mittwoch beschlossen werden. Es geht dabei
nicht nur um beschleunigte Abschreibungen von Investitionen für Unternehmen und
den Abbau von Bürokratie.

Arbeitnehmer sollen Anreize bekommen, mehr und länger zu arbeiten - etwa
indem Beschäftigte im Rentenalter den Arbeitgeberbeitrag für die
Arbeitslosenversicherung und teils auch für die Rentenversicherung ausgezahlt
bekommen. Für ausländische Fachkräfte ist in den ersten drei Jahren ihrer
Tätigkeit in Deutschland ein Steuerrabatt geplant. Außerdem will die Regierung
Überstunden, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen,
steuer- und beitragsfrei stellen.

Familien sollen einen höheren Kindersofortzuschlag und mehr Kindergeld
bekommen. Außerdem sollen Freibeträge und andere Grenzwerte bei der Lohn- und
Einkommensteuer so angepasst werden, dass Bürgerinnen und Bürger in zwei Jahren
23 Milliarden Euro Steuern sparen./tam/DP/nas

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