05.07.2024 15:50:04 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Wahlkampftrip und Interview: Alle Augen auf Biden gerichtet

WASHINGTON (dpa-AFX) - US-Präsident Joe Biden steht im Kampf um seine
Kandidatur vor entscheidenden Bewährungsproben, die über seine politische
Zukunft entscheiden könnten. Bei einem TV-Interview und einer Wahlkampfreise in
den US-Bundesstaat Wisconsin will der Demokrat zeigen, wie fit er ist. Der
81-Jährige steht unter intensiver Beobachtung - jeder Auftritt wird genau
verfolgt. Er versucht, jeglichen Zweifel an seiner Eignung für das Amt zu
zerstreuen. Doch Berichten zufolge bröckelt der Rückhalt weiter, Großspender der
Demokratischen Partei wenden sich mittlerweile von ihm ab - darunter die
Enkeltochter eines Gründers des Medienunternehmens Disney.

Biden hatte vor einer Woche bei dem abendlichen Fernseh-Duell mit seinem
republikanischen Herausforderer Donald Trump einen desaströsen Auftritt
hingelegt, sich mehrfach versprochen und den Faden verloren. Nach dem Auftritt
entbrannte in den USA eine Debatte darüber, ob Biden wirklich der richtige
Kandidat der Demokraten für die Präsidentenwahl im November ist. Trump weiß die
Schwäche seines politischen Gegners zu nutzen und hat ihn unlängst zu einem
weiteren TV-Duell aufgefordert. Dabei würde Bidens mangelnde Kompetenz deutlich
werden, so der 78-Jährige.

Weniger Teleprompter, mehr Spontanität

Biden tut sich bei Auftritten, bei denen er nicht vom Teleprompter ablesen
kann, oft schwer. Er verhaspelt sich regelmäßig, verwechselt Namen und Orte. Das
dürfte einer der Gründe sein, warum der Demokrat kaum TV-Interviews gibt.
Offenbar war der Druck nun aber so groß, dass Biden heute TV-Journalist George
Stephanopoulos in Wisconsin Rede und Antwort stehen wird. Das gesamte Interview
soll zur besten Sendezeit (2.00 Uhr in der deutschen Nacht zum Samstag)
ausgestrahlt werden.

Gleichzeitig hat Bidens Wahlkampfteam Berichten zufolge angekündigt, dass
der Präsident in den kommenden Wochen in umkämpfte Bundesstaaten reisen wolle.
Dabei werde der 81-Jährige auch öfter frei sprechen. Nach seinem TV-Debakel
verschlechterten sich die Umfragewerte des Demokraten nicht nur auf nationaler
Ebene, sondern auch in den wichtigen Bundesstaaten, die nicht klar den
Demokraten oder Republikanern zugerechnet werden. Diese gelten in der Regel als
wahlentscheidend.

Großspender verlieren Geduld

Parteispender macht Bidens Leistung anscheinend zunehmend nervös. Der Sender NBC und die "New York Times" berichteten, dass eine wohlhabende Disney-Erbin
ihre finanzielle Unterstützung für die Partei so lange zurückhalten wolle, bis
Biden sich aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur zurückzieht. "Biden
ist ein guter Mann, der seinem Land gut gedient hat, aber es steht viel zu viel
auf dem Spiel, um zuzulassen, dass Zaghaftigkeit unser Vorgehen bestimmt",
zitierten beide Medien aus einem Statement von Abigail Disney. Wenn Biden nicht
abtrete, würden die Demokraten verlieren.

Der "New York Times" zufolge arbeitet eine Gruppe von Spendern außerdem
daran, die nächste Generation der Demokratischen Partei finanziell zu
unterstützen. Das Geld könne für einen möglichen Nachfolge-Kandidaten verwendet
werden. Wahlkämpfe in den USA sind extrem kostspielig. Nur wer das nötige
Kleingeld hat, kann sich dauerhaft im Rennen halten - und behaupten.

Biden gibt sich kämpferisch

Biden hatte am Donnerstag bei den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag kurze Ansprachen im Weißen Haus gehalten. "Ich werde nirgendwo hingehen", sagte Biden
bei einem Grillfest für aktive Militärangehörige im Garten des Weißen Hauses
spontan nach einer kurzen abgelesenen Rede. Seine eigentliche Ansprache vor
Beginn des Feuerwerks über der Grünanlage National Mall unweit des Weißen Hauses
fiel dann denkbar kurz aus - Biden wirkt zumindest etwas ausgelaugt. Der
Nationalfeiertag der USA am 4. Juli, der auf die Unabhängigkeitserklärung 1776
zurückgeht, wird traditionell mit Partys, Paraden und Feuerwerk gefeiert.

Biden hat die Präsidentschaftskandidatur für seine Partei eigentlich sicher
- offiziell soll er beim Parteitag der Demokraten in Chicago im August gekürt
werden. Bei den Vorwahlen hat der US-Präsident die nötigen Delegiertenstimmen
dafür gesammelt. Nennenswerte Konkurrenz hatte er im Vorwahlkampf nicht. Offen
ist nun, ob er dem Druck in seiner eigenen Partei weiter standhalten kann - oder
doch noch das Handtuch wirft./nau/DP/jha

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