10.05.2024 18:24:49 - dpa-AFX: ROUNDUP: UN stärken Rechte der Palästinenser und fordern Mitgliedschaft

NEW YORK (dpa-AFX) - Die Vollversammlung der Vereinten Nationen stärkt die
Rolle der Palästinenser innerhalb des größten UN-Gremiums deutlich. Eine am
Freitag mit überwältigender Mehrheit angenommene Resolution in New York räumt
dem Beobachterstaat Palästina eine deutlich erweiterte Teilnahme an den
Sitzungen der Vollversammlung ein, gibt ihm aber kein reguläres Stimmrecht.
Zudem forderte das Gremium mit 193 Mitgliedsstaaten vom ausschlaggebenden
Weltsicherheitsrat die "wohlwollende" Prüfung einer Vollmitgliedschaft
Palästinas.

Für die Resolution stimmten 143 Länder, 9 Staaten votierten dagegen. 25
Länder enthielten sich - darunter auch Großbritannien und Deutschland, das
Palästina nicht als unabhängiges Land anerkennt. Israels engster Verbündeter,
die USA, lehnten den Antrag ab.

Die Vollversammlung stellt mit der Annahme fest, dass der "Staat Palästina
(...) zur Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen zugelassen werden sollte" -
der Sicherheitsrat solle diese "noch einmal wohlwollend prüfen". Die USA
bekräftigten, in diesem Fall erneut von ihrem Vetorecht im mächtigsten
UN-Gremium mit seinen 15 Mitgliedern Gebrauch machen zu wollen. Vor dem
Hintergrund des Gaza-Krieges wurde die Abstimmung auch als internationales
Stimmungsbild zu den jüngsten Eskalationen im Nahostkonflikt gesehen. Bei den
Vereinten Nationen gibt es eine deutliche Mehrheit für israelkritische oder
propalästinensische Beschlüsse. Ein Vetorecht existiert in der Vollversammlung
nicht.

Israels Botschafter: UN öffnen sich für "moderne Nazis"

Der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan warf der Vollversammlung vor der
Abstimmung vor, "die Errichtung eines palästinensischen Terrorstaates"
voranzutreiben. "Sie haben die Vereinten Nationen für moderne Nazis und
völkermörderische Dschihadisten geöffnet, die sich für die Errichtung eines
islamischen Staates in ganz Israel, in der Region einsetzen und jeden jüdischen
Mann, jede jüdische Frau und jedes jüdische Kind ermorden. Es macht mich krank."
Erdan schredderte vor dem Rednerpult in einem symbolischen Akt Zettel, auf denen
"Charta der Vereinten Nationen" stand. Mit den Worten "schämen Sie sich"
beendete er seine Rede.

Der palästinensische UN-Botschafter Riad Mansur zeigte sich trotz der
Blockade der USA im Weltsicherheitsrat zuversichtlich, eines Tages vollständiges
Mitglied der Vereinten Nationen zu sein. "Ohne Zweifel wird der Tag kommen, an
dem Palästina seinen rechtmäßigen Platz in der Gemeinschaft der freien Nationen
einnehmen wird. Besatzung und Kolonialismus sowie Tod und Zerstörung sind nicht
unser Schicksal. Sie werden uns aufgezwungen. Aber Freiheit ist unser einziges
Schicksal".

Propalästinensisches Votum setzt USA unter Druck

Die nun angenommene Vorlage mit dem Namen "Resolutionsentwurf zur Aufnahme
neuer Mitglieder in die Vereinten Nationen" und das klare propalästinensische
Votum setzten die USA inmitten wachsender Kritik an Israels Kriegsführung im
Gazastreifen nun weiter unter Druck. Die US-Regierung bekräftigte ihre Haltung,
dass eine Einigung mit Israel auf eine Zweistaatenlösung Voraussetzung für die
Anerkennung einer UN-Vollmitgliedschaft Palästinas wäre. Anträge auf eine
Mitgliedschaft scheiterten deshalb Mitte April und bereits im Jahr 2011 im
Weltsicherheitsrat. In der UN-Charta ist festgelegt, dass die Aufnahme eines
neuen Mitgliedsstaates auf "Empfehlung des Sicherheitsrats durch Beschluss der
Generalversammlung" erfolgt.

In der UN-Vollversammlung ist es den Palästinensern nun künftig erlaubt,
sich ähnlich wie normale Mitglieder zu verhalten: Vertreterinnen und Vertreter
Palästinas dürfen auch zu Themen sprechen, die nicht mit dem Nahostkonflikt zu
tun haben. Zudem können sie Änderungsanträge für Beschlüsse einreichen oder neue
Tagesordnungspunkte vorschlagen und Funktionen innerhalb des Plenums ausführen.
Andere Gremien der Vereinten Nationen werden im Entwurf aufgefordert, Palästina
ähnliche Rechte zu gewähren. Es wird aber auch betont, dass die Palästinenser
kein Stimmrecht haben und nicht für UN-Organe kandidieren dürften.

Die Abstimmung in der Vollversammlung hatte unter den einflussreichsten
Ländern USA, China und Russland auch deshalb für Unruhe gesorgt, weil diese
einen Kontrollverlust bei der Aufwertung von Regionen fürchten, deren
Staatlichkeit umstritten ist. In diesem Zusammenhang fielen Namen wie der
Kosovo, Taiwan oder Berg-Karabach. In dem Text des angenommenen
Resolutionsentwurfs wird deshalb betont, dass es sich im Fall Palästinas um eine
Ausnahme handelt, "ohne einen Präzedenzfall zu schaffen".

Deutschland erkennt Palästina nicht als unabhängiges Land an

Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher mehr als 130 Palästina als
unabhängiges Land anerkannt. Deutschland gehört wie die USA nicht dazu. Im Jahr
2012 wurde Palästina - ähnlich wie der Vatikan - zu einem
nicht-mitgliedschaftlichen Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen
aufgewertet, damals mit 138 Ja-Stimmen.

Innerhalb des UN-Systems gilt Palästina damit als "Staat", aus Sicht
Deutschlands dagegen existiert das Land Palästina so nicht - das Auswärtige Amt
spricht in Bezug auf Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem von
"palästinensischen Gebieten". Aufgrund der eingeschränkten internationalen
Anerkennung bezweifeln zumindest einige Länder, dass die Palästinenser in
internationalen Organisationen auf gleiche Weise mitwirken können wie
Mitglieder, deren Staatlichkeit nicht infrage steht.

Die US-Regierung hat zudem Sorge, dass der Kongress in Washington auf die
Entscheidung der Vollversammlung negativ reagiert: US-Gesetze verbieten es der
amerikanischen Regierung, UN-Organisationen zu finanzieren, wenn diese einer
Gruppe Vollmitgliedschaft gewähren, "die nicht über die international
anerkannten Merkmale der Staatlichkeit" verfügen. Dies ist mit dem Beschluss vom
Freitag Juristen zufolge zwar nicht gegeben, dennoch könnte bei einigen
Abgeordneten in Washington die Forderung nach einem Finanzierungsstopp der
Vereinten Nationen aufkommen./scb/DP/nas

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