22.05.2024 15:53:45 - dpa-AFX: VERMISCHTES/ROUNDUP: Lauterbach kündigt Einschränkungen beim Lachgas-Verkauf an

BERLIN/HANNOVER (dpa-AFX) - Nach Kritik von Eltern und Ärzten dringt
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf strengere Regeln, um den Verkauf
von Lachgas als Partydroge besonders an junge Leute einzudämmen. Dies sei ein
erhebliches Gesundheitsrisiko und keine Kleinigkeit, sagte der SPD-Politiker am
Mittwoch in Berlin.

"Die schnelle Verbreitung bei Kindern und Jugendlichen muss uns allen Sorge
machen", sagte Lauterbach. Daher halte er es für nicht vertretbar, dass Lachgas
in Automaten oder "Spätis" (Spätkaufläden) verkauft werde, insbesondere nicht an
Kinder und Jugendliche. Er sei dazu mit den zuständigen Ressorts der Regierung
im Gespräch, sodass man hoffentlich bald zu Regelungen kommen werde. "Es kann
auf keinen Fall so bleiben, wie es jetzt ist."

In Deutschland sind Verkauf und Konsum von Lachgas nicht verboten. Die
Deutsche Gesellschaft für Neurologie hatte zuletzt vor Gefahren gewarnt. Den
Ärzten zufolge besteht die Gefahr von Langzeitschäden. Sie reichten von
Bewusstlosigkeit durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Lunge über
Lähmungserscheinungen bis hin zu Hirnschäden.

Im niedersächsischen Gifhorn protestieren besorgte Eltern seit Wochen gegen
einen Automaten, in dem bunte Lachgasflaschen neben Süßigkeiten und
Einweg-E-Zigaretten angeboten werden. Der Stadtelternrat forderte in einem Brief
Minister Lauterbach auf, die gesetzlichen Regelungen zu ändern.

Der Betreiber des Automaten in Gifhorn sieht dagegen keine Probleme. Lachgas sei frei verkäuflich, betonte der Mann, der seinen Namen nicht in Medien lesen
möchte. Obwohl Lachgas auch an Minderjährige verkauft werden dürfe, gebe er es
freiwillig lediglich an über 18-Jährige ab. Das Lachgas kann nur derjenige aus
dem Automaten ziehen, der sich mit seinem Personalausweis als volljährig
ausweist.

Lachgas, also Distickstoffmonoxid (N2O), ist seit einigen Jahren als
Partydroge auf dem Vormarsch. Die Konsumenten atmen den euphorisierenden Stoff
über Luftballons ein. Lachgas fällt in Deutschland bisher nicht unter das
Betäubungsmittelgesetz und kann zum Beispiel in Sahnekapseln oder Kartuschen im
Supermarkt, in Tabakläden oder im Internet gekauft werden.

Andere Staaten haben gesetzliche Regelungen gegen den Missbrauch getroffen.
In Großbritannien ist der Besitz von Lachgas seit Ende 2023 illegal, auch die
Niederlande und Dänemark haben strenge Vorgaben.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard
Blienert, ist sehr besorgt. Der "Braunschweiger Zeitung" sagte Blienert, es gebe
vermehrt Berichte über Jugendliche und junge Erwachsene, "die mit Lachgas
herumexperimentieren und ihre Rauscherfahrungen auf Social Media teilen". Es
gebe eine ganze Palette Lachgasprodukte, die ausschließlich auf das Inhalieren
zugeschnitten seien, sogar in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. "Das ist
neu, und es ist keine gute Entwicklung. Alles deutet darauf hin, dass die
Produkte ein sehr junges Publikum ansprechen sollen", sagte Blienert.

Die Unionsfraktion im Bundestag plädiert für ein Verkaufsverbot von Lachgas
an Minderjährige. "Narkosemittel aus der Medizin haben bei Kindern und
Jugendlichen nichts verloren", sagte der Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU) dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Gefahr psychischer Abhängigkeit sei
erheblich, in extremen Fällen könne es zu Ohnmacht, Lähmungen und
Herzbeschwerden kommen.

Die rot-grüne Landesregierung von Niedersachsen sieht ebenfalls
Handlungsbedarf und kündigte am Mittwoch an, eine Bundesratsinitiative zu
prüfen. "Der missbräuchliche Einsatz von Lachgas als vermeintliche Partydroge
kann erhebliche Gesundheitsschädigungen zur Folge haben", warnte Niedersachsens
Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Es gehöre nicht in die Hände von
Kindern und Jugendlichen. "Daher sollte der niedrigschwellige Verkauf an unter
18-Jährige untersagt werden", forderte der SPD-Politiker. Das gelte für den
Kiosk- und Automatenverkauf in der Nähe von Schulen oder Kitas, aber auch für
den Onlinehandel, Drogerien oder Supermärkte. Gleichwohl müsse es weiterhin
möglich sein, Lachgas medizinisch einzusetzen, und auch die Sprühsahne wolle
niemand verbieten.

Den Überlegungen aus Niedersachsen zufolge könnte Lachgas in das so
bezeichnete Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz aufgenommen werden, wie ein
Ministeriumssprecher erläuterte. Mit dem Gesetz sollen vor allem junge Menschen
vor neuen, synthetisch hergestellten Designer-Drogen, sogenannten Legal Highs,
geschützt werden.

Die Mitglieder des Eltern-Gremiums in Gifhorn sind erfreut, dass die Politik jetzt aktiv wird. Notwendig seien Aufklärung über die gefährliche Partydroge in
den Schulen sowie ein generelles Verkaufsverbot von Lachgas an Minderjährige,
sagte Christopher Finck der Deutschen Presse-Agentur. Er ist stellvertretender
Vorsitzender des Stadtelternrats. Zudem unterstützen die Eltern die Forderung
der Ärztekammer Niedersachsen, den Verkauf von Lachgaskartuschen mit mehr als
acht Gramm Inhalt an Privatpersonen zu verbieten./cst/DP/ngu

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