27.06.2024 18:41:45 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU-Staats- und Regierungschefs wollen Personalfragen endgültig klären

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union
haben sich in Brüssel getroffen, um die Nominierung der künftigen EU-Spitzenjobs
zu beschließen. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte davor eine faire Debatte an.
Zwar gebe es bereits eine politische Verständigung von Konservativen,
Sozialdemokraten und Liberalen. Das sei aber "nur eine Position" sagte der
SPD-Politiker. "Wir werden das hier sorgfältig, fair miteinander diskutieren."

Dank einer Einigung der großen europäischen Parteienfamilien Mitte der Woche gilt es bereits als nahezu sicher, dass EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der
Leyen bei dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag grünes Licht für eine zweite
Amtszeit erhalten wird.

Dies gilt als einer der wichtigsten Posten in der EU: Die EU-Exekutive
schlägt Gesetze vor und wacht über die Einhaltung des gemeinsamen Rechts.

Außerdem sollen auch der EU-Außenbeauftragte sowie der EU-Ratspräsident
nominiert werden. Die liberale Estin Kaja Kallas ist für den Posten der
EU-Außenbeauftragten vorgesehen, der frühere portugiesische Regierungschef
António Costa als EU-Ratspräsident.

Keine Einigung bei vorherigem informellem Gipfel

Grundlage der informellen Einigung auf dieses Personalpaket ist das Ergebnis der Europawahl vor etwas mehr als zwei Wochen. Das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit
von der Leyen als Spitzenkandidatin erzielte das mit Abstand beste Ergebnis. Sie
will nun mit der zweitplatzierten Parteienfamilie, den Sozialdemokraten (S&D),
und den Liberalen (Renew) eine informelle Koalition bilden.

Ursprünglich wollten sich die EU-Staats- und Regierungschefs bereits bei
einem informellen Gipfel vor rund zehn Tagen endgültig auf das Personalpaket
verständigen. Doch die Rechnung ging nicht auf. Unter anderem zeigte sich die
italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erbost darüber, dass sie trotz
des guten Ergebnisses ihrer Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) bei der
Europawahl nicht direkt an den Gesprächen über das Personalpaket beteiligt
wurde.

Gegenwind aus Ungarn

Am Rande des Gipfels erklärten etliche Regierungschefs, dass es nicht darum
gehe, Meloni ausgrenzen zu wollen. Der polnische Regierungschef Donald Tusk
sagte etwa: "Es gibt kein Europa ohne Italien, und es gibt keine Entscheidung
ohne Ministerpräsidentin Meloni. Das ist für mich ganz klar."

Eine deutliche Gegenstimme kam erwartbar aus Budapest. Ungarns
Regierungschef Viktor Orban bekräftigte am Donnerstag in Brüssel, das geplante
Personalpaket für die Besetzung der EU-Spitzenposten nicht unterstützen zu
wollen. Die Koalition der drei großen europäischen Parteienfamilien schaue weder
auf die schlechte Performance der vergangenen fünf Jahre noch auf das Programm
für die kommende Legislaturperiode, sagte er. "Es geht nur um Machtteilung", so
Orban.

Für die Entscheidung über die Besetzung der Spitzenposten im Gremium der
Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten ist keine Einstimmigkeit notwendig.
Es müssen mindestens 20 EU-Staaten zustimmen, die gleichzeitig mindestens 65
Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

Das EU-Parlament kann den Staats- und Regierungschefs aber theoretisch noch
einen Strich durch die Rechnung machen: Eine Mehrheit des Parlaments muss die
Besetzung der Kommission bestätigen.

Unterstützung für die Ukraine

Außerdem unterzeichneten die bisherige EU-Kommissionschefin von der Leyen
und EU-Ratspräsident Charles Michel sowie der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj eine Vereinbarung zur Sicherheitskooperation und langfristigen
Unterstützung der Ukraine.

Teil der Sicherheitszusagen ist etwa ein neuer Krisenmechanismus. Sollte
Russland bei der aktuellen Invasion Atomwaffen einsetzen oder nach dem Ende des
derzeitigen Krieges erneut angreifen, soll es auf Ersuchen einer der beiden
Seiten innerhalb von 24 Stunden Konsultationen geben.

Neben der Verteilung der Spitzenposten geht es auf dem EU-Gipfel am
Donnerstag und Freitag auch um die Strategische Agenda. Dabei sollen die Weichen
für die nächsten fünf Jahre gestellt werden./svv/DP/jha

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