25.06.2024 18:42:01 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: SPD-Fraktion fasst Beschluss zur Legalisierung von Abtreibungen

BERLIN (dpa-AFX) - Die SPD-Fraktion im Bundestag setzt sich für eine
Aufhebung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen ein. Ein entsprechendes
Positionspapier segneten die Abgeordneten am Dienstagnachmittag bei ihrer
Fraktionssitzung ab. Darin ist festgehalten, dass Abtreibung aus Sicht der
SPD-Fraktion künftig generell nicht mehr strafbar sein sollte. Gleichwohl solle
es dafür aber weiterhin "klare gesetzliche Voraussetzungen" geben, heißt es in
dem Papier, das der dpa vorliegt. Die Grünen unterstützen den Vorstoß, aus der
Union gibt es heftige Kritik.

Schwangerschaftsabbrüche sind bisher laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs
rechtswidrig. Tatsächlich bleibt ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf
Wochen aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ohne Strafe
bleibt ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen
einer Vergewaltigung vorgenommen wird. Über die Abschaffung des Paragrafen wird
seit Jahren gestritten. Zuletzt hatte eine von der Bundesregierung eingesetzte
Kommission empfohlen, Abtreibungen in den ersten Wochen der Schwangerschaft zu
entkriminalisieren.

"Schwangerschaftsabbrüche sollen bis zu einer gesetzlich zu bestimmenden
konkreten Frist legalisiert werden", schlagen nun auch Politikerinnen und
Politiker der SPD-Fraktion vor. Wie weit diese über die zwölf Wochen hinausgehen
soll, steht nicht in ihrem Papier. Da heißt es: "Wir sprechen uns für eine Frist
aus, die an der Überlebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Uterus mit
ausreichend zeitlichem Abstand anknüpft." Sobald im Einzelfall eine
Überlebenschance außerhalb des Mutterleibs bestehe, müsse ein Abbruch
grundsätzlich verboten sein.

Für einen Schwangerschaftsabbruch nach Ablauf der gesetzlichen Frist sollten aus Sicht der SPD-Abgeordneten nur Ärztinnen und Ärzte, nicht aber Schwangere
strafrechtlich belangt werden können. Um Abbrüche ohne Zustimmung der
Schwangeren zu sanktionieren, solle ein zusätzlicher Straftatbestand geschaffen
werden. Ferner setzen sich die Abgeordneten dafür ein, dass die aktuell geltende
Pflicht für ungewollt Schwangere, sich vor einem Abbruch beraten zu lassen,
wegfällt. Die Beratungspflicht solle durch einen Rechtsanspruch auf Beratung
ersetzt werden, heißt es in dem Papier.

Auch die Grünen unterstützen den Vorstoß. "Wir wollen das
Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken und setzen uns schon lange für eine
differenzierte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des
Strafgesetzbuches ein", erklärten Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink und die
frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws. Gleichzeitig
müsse das Schutzniveau für das werdende Leben je nach Phase der Schwangerschaft
gewahrt werden. Die Grünen strebten gesetzliche Änderungen noch in dieser
Legislaturperiode an.

Ob es tatsächlich dazu kommt, ist indes unklar. Im FDP-geführten
Bundesjustizministerium scheint die Motivation, den damals zum
Schwangerschaftsabbruch gefundenen Kompromiss jetzt aufzuschnüren, nicht allzu
groß zu sein. Das Ministerium werte gegenwärtig den Bericht der Kommission
sorgfältig aus, sagte eine Sprecherin der dpa. "Dies gilt insbesondere mit Blick
auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu
Schwangerschaftsabbrüchen", fügte sie hinzu. Den Bericht hatte die Kommission
bereits Mitte April vorgelegt. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion,
Katrin Helling-Plahr, hatte damals erklärt, an den bisherigen Regelungen
festhalten zu wollen.

Auch der Caritas-Verband äußerte sich kritisch zum Vorstoß der
Sozialdemokraten - insbesondere zu dem Vorschlag, die Beratungspflicht künftig
abzuschaffen. "Die SPD plant ernsthaft ein Aussetzen der Beratungspflicht für
ungewollt schwangere Frauen. Das enttäuscht uns sehr", erklärte
Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Die Beratungspflicht habe sich
"für alle Beteiligten bewährt", weil sie Betroffenen verlässlich Zugang zu allen
wichtigen Informationen ermögliche. Auch für Ärztinnen und Ärzte sei der
Beratungsschein ein wichtiges Indiz, dass die Frau sich aus freiem Willen für
eine Abtreibung entschieden habe.

Der Verband regt an, stattdessen den Zugang zu Verhütungsmitteln zu
verbessern und die Kostenerstattung von Abtreibungen für betroffene Frauen zu
erleichtern. Bislang müssen sie die Kosten entweder selber tragen oder einen
Antrag auf staatliche Kostenübernahme stellen. Wegen der bisherigen Strafbarkeit
werden Abbrüche bislang nicht von den Krankenkassen übernommen.

Kritik kam auch aus der Unionsfraktion. "Die Beratungspflicht ist das einzig unmittelbare Schutzinstrument zugunsten des ungeborenen Kindes", sagte der
rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Günter Krings. Dabei sei auch die
Verortung im Strafgesetzbuch von Bedeutung, von der Abbrüche in den ersten zwölf
Wochen bei Einhaltung von Beratungs- und Wartepflicht bereits heute ausdrücklich
ausgenommen seien. "Dieses Schutzniveau darf nicht weiter unterschritten
werden", betonte Krings. Stichtage zum Schwangerschaftsabbruch könnten nicht
nach Belieben hin und her verschoben werden"./faa/DP/jha

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