16.05.2024 06:30:02 - dpa-AFX: ROUNDUP/Selenskyj: Lage bei Charkiw teils stabilisiert - Nacht im Überblick

KIEW/MOSKAU/PEKING (dpa-AFX) - In der massiv von russischen Truppen
angegriffenen Region Charkiw im Osten der Ukraine hat sich die Lage nach den
Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj teils stabilisiert. "Der Besatzer, der
in die Region Charkiw eingedrungen ist, wird mit allen verfügbaren Mitteln
vernichtet", sagte Selenskyj in seiner am Mittwoch in Kiew verbreiteten
abendlichen Videobotschaft. "Artillerie, Drohnen und unsere Infanterie arbeiten
ziemlich akkurat." Es sei gelungen, die Situation teils zu stabilisieren.

Die Lage im Gebiet Charkiw ist durch die russischen Gebietsgewinne der
vergangenen Wochen extrem gespannt. Der ukrainische Generalstab sprach von
intensiven Gefechten. Gleichwohl hatten auch westliche Militärexperten nun eine
Verlangsamung der russischen Angriffe festgestellt.

Selenskyj sagte wegen der schwierigen Situation alle Auslandsreisen ab - und schilderte in seiner Videobotschaft, dass besonders in der Stadt Wowtschansk
nahe der russischen Grenze die Verteidigungsaktivitäten der ukrainischen Truppen
fortgesetzt würden. Zugleich konzentrierten sich die Streitkräfte auch auf
andere Richtungen, darunter die Stadt Kupjansk im Gebiet Charkiw und im Gebiet
Donezk um die Stadt Pokrowsk.

Der ukrainische Präsident betonte einmal mehr, dass sein Land mit allen
Mitteln ausgestattet werden müsse, um den Feind zurückzuschlagen. "Die Welt hat
die Kraft, sie hat die Waffen, sie hat die Fähigkeit, Russland zum Frieden zu
zwingen - zu einem gerechten Frieden", sagte Selenskyj. Es müsse alles dafür
getan werden, dass die russische Offensive und Moskaus Versuch scheiterten, den
Krieg auszuweiten.

Ukraine-Konferenz: Mehr als 50 Zusagen - aber noch nicht von China

Die Ukraine setzt ihre Hoffnungen auch auf eine erste hochrangig besetzte
Konferenz in der Schweiz, auf der ein Weg zum Frieden ausgelotet werden soll.
Einen Monat vor der Konferenz haben schon mehr als 50 Länder ihre Teilnahme
zugesagt, aber ein besonders wichtiges fehlt: "China hat sich bis jetzt noch
nicht angemeldet", räumte die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd am
Mittwoch nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin ein. Sie
fügte aber hinzu: "Wir gehen davon aus, dass es bis zum letzten Moment
Veränderungen auf dieser Teilnehmerliste geben wird."

Die Schweiz hat für den 15. und 16. Juni rund 160 Länder eingeladen, um über mögliche Wege zu einem dauerhaften Frieden in der Ukraine zu reden. Russland,
das die Ukraine vor gut zwei Jahren angegriffen hat, hat keine Einladung
erhalten. Die Initiative für die Konferenz geht von Präsident Selenskyj aus, der
auf einer Umsetzung seines Friedensplans besteht. Seine Kernforderung ist ein
russischer Truppenabzug aus allen besetzten Gebieten der Ukraine. Moskau wies
den Plan als realitätsfern zurück.

Für einen Erfolg der Konferenz wird es nun als entscheidend angesehen, dass
nicht nur die westlichen Verbündeten der Ukraine dabei sind, sondern auch
einflussreiche mit Russland befreundete Staaten - allen voran China, der
wichtigste Verbündete Moskaus. Aber auch die G20-Staaten Indien, Brasilien und
Südafrika sind weiterhin eng mit Moskau verbunden. Rund die Hälfte der Zusagen
komme von nicht-europäischen Ländern, heißt es aus der Schweiz.

Scholz hat seine Teilnahme bereits angekündigt und bei seinem Besuch in
Peking im April auch für die Konferenz geworben. Mit dem chinesischen
Präsidenten Xi Jinping vereinbarte er aber lediglich, über das Treffen in der
Nähe von Luzern im Gespräch zu bleiben.

Russlands Präsident Putin reist nach China

Am Donnerstag und Freitag weilt Putin in Peking, um Xi zu treffen.
"Natürlich ist das ein Treffen, das wir genau verfolgen", sagte Scholz dazu. Er
würde sich wünschen, dass die Gespräche Putin der Erkenntnis näher bringen,
"dass er sich bewegen muss, dass er Truppen zurückziehen muss und die
Möglichkeit für einen gerechten Frieden, der kein Diktatfrieden ist, eröffnen
muss".

Xi Jinping hat den Kremlchef zu der Visite in Peking und der
nordchinesischen Industriegroßstadt Harbin eingeladen. Es ist Putins erste
Auslandsreise, seit er vor etwas mehr als einer Woche seine fünfte Amtszeit
antrat. Der 71-Jährige wurde in der Nacht zum Donnerstag in Peking mit
militärischen Ehren empfangen.

Bei den Gesprächen soll es auch um den Krieg in der Ukraine gehen. Putin
wird unter anderem vom frisch ernannten Verteidigungsminister Andrej Beloussow
und dessen Vorgänger Sergej Schoigu begleitet, der künftig als Sekretär des
nationalen Sicherheitsrates auch für Rüstungsfragen zuständig ist.

Die beiden Atommächte sind wirtschaftlich eng verflochten. Russland ist
durch seinen Angriffskrieg in der Ukraine von weitreichenden Sanktionen des
Westens betroffen und braucht China als Handelspartner. Peking gibt sich in dem
Konflikt nach außen zwar neutral, gewährt Moskau damit faktisch aber
Rückendeckung. Bisherige Vorschläge aus China zur Lösung des Ukraine-Krieges
trugen bislang keine Früchte. Auch verurteilte die chinesische Regierung den
Überfall bislang nicht.

Kremlchef: Russlands Generalstab hat sich um Krieg bewährt

Putin hatte vor seiner Abreise betont, dass es im Generalstab unter dessen
Chef Waleri Gerassimow, der für die Kampfhandlungen in der Ukraine
verantwortlich ist, keine strukturellen Veränderungen geben werde. "Dieser Block
der Gefechtsarbeit hat sich bewährt, er funktioniert rhythmisch, läuft
erfolgreich, und hier sind keine Veränderungen geplant."

Putin hatte erklärt, dass er den Wirtschaftsexperten und Zivilbeamten
Beloussow als Minister eingesetzt habe, weil die Rüstungsausgaben des Landes
extrem gestiegen seien. Für deren ordentliche Verteilung und Verwendung brauche
es einen Ökonomen. Beloussow soll auch Innovationen und eine Modernisierung im
Militär durchsetzen. Putin forderte, die Anstrengungen in der Rüstungsindustrie
zu verdoppeln und zu verdreifachen, um der Ukraine in dem Krieg dauerhaft
überlegen zu sein./mau/DP/zb

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