20.05.2024 12:02:39 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Irans Präsident stirbt bei Helikopterabsturz - Fünf Tage Staatstrauer

(Neu: Details)

TEHERAN (dpa-AFX) - Der iranische Präsident Ebrahim Raisi und sein
Außenminister Hussein Amirabdollahian sind beim Absturz ihres Hubschraubers im
Iran ums Leben gekommen. Keiner der neun Insassen habe überlebt, berichteten die
staatliche Nachrichtenagentur Irna und das Staatsfernsehen am Montag. Zur
Ursache des Unglücks vom Sonntag gab es zunächst keine offiziellen
Informationen. Die Verbündeten Teherans - unter ihnen Russland und China -
kondolierten.

Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei ordnete fünf Tage Staatstrauer
an. Zudem übertrug er die Amtsgeschäfte an Raisis ersten Vize Mohammed Mochber.

Erzfeind Israel erwartet Medienberichten zufolge keine echten Auswirkungen
auf den jüdischen Staat. Unter Berufung auf namentlich nicht genannte
Regierungsvertreter hieß es zudem, dass Israel nichts mit dem Vorfall zu tun
habe. Eine offizielle Reaktion aus Israel gab es zunächst nicht.

Raisi war am Sonntagnachmittag zusammen mit Außenminister Amirabdollahian
auf der Rückreise von einem Treffen mit dem Präsidenten Aserbaidschans, Ilham
Aliyev, als ihre Maschine bei dichtem Nebel vom Radar verschwand. Gemeinsam
hatten sie im Nachbarland einen Staudamm eingeweiht. Mit insgesamt drei
Hubschraubern machte sich der Tross danach auf den Rückweg, doch die
Präsidentenmaschine kam nicht an ihrem Zielort an.

Daraufhin entbrannten Spekulationen, ob der Absturz auf schlechtes Wetter,
einen technischen Defekt am Hubschrauber oder gar Sabotage zurückzuführen sei.
Klarheit darüber gab es bis zum Montagmittag nicht.

Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt
angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, Ersatzteile sind
schwer zu beschaffen. Viele Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit
vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den
USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.

Iran droht politische Krise - Neuwahl innerhalb von 50 Tagen

Die Amtsgeschäfte übernimmt nun Raisis erster Vize Mohammed Mochber. Irans
Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei beauftragte ihn am Montag zudem damit,
gemeinsam mit der Spitze der Justiz und des Parlaments innerhalb von 50 Tagen
Neuwahlen zu organisieren. Vizeaußenminister Ali Bagheri, der zuletzt eine
führende Rolle als Unterhändler bei den Atomverhandlungen mit dem Westen hatte,
wurde zum geschäftsführenden Außenminister ernannt.

Beileidsbekundungen der Verbündeten - Westen zurückhaltend

Irans Verbündete zeigten sich bestürzt über Raisis Tod. Chinas Präsident Xi
Jinping brachte nach Angaben eines Sprechers des Außenministeriums seine "tiefe
Trauer über den Tod" Raisis zum Ausdruck. Russlands Präsident Wladimir Putin
nannte Raisi einen herausragenden Politiker und wahren Freund Russlands. "Er
wurde von seinen Landsleuten zu Recht hochgeachtet und genoss im Ausland großes
Ansehen", hieß es in einem Schreiben Putins. Auch der türkische Präsident Recep
Tayyip Erdogan sprach sein Beileid aus. Alle drei Länder haben gute Beziehungen
zum Iran.

Als einer der wenigen westlichen Politiker sprach EU-Ratschef Charles Michel sein Beileid mit dem Iran aus. Auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni
drückte Solidarität mit dem Land aus. Andere westliche Spitzenpolitiker hielten
sich dagegen zunächst zurück, auch von der Bundesregierung kam zunächst keine
Reaktion.

Raisis Regierung steht seit Jahren wegen ihrer erzkonservativen
Wertevorstellungen, der Unterdrückung von Bürgerrechten und der schweren
Wirtschaftskrise im Iran in der Kritik. Zahlreiche Iranerinnen und Iraner
brachten in sozialen Medien ihre Schadenfreude über den Hubschrauberabsturz zum
Ausdruck.

Raisi war im August 2021 als neuer Präsident vereidigt worden. Als
Spitzenkandidat der politischen Hardliner sowie Wunschkandidat und Protegé des
Religionsführers Chamenei hatte Raisi die Präsidentenwahl mit knapp 62 Prozent
der Stimmen gewonnen.

Der Iran stand zuletzt verstärkt im Fokus, auch weil ein regionaler Krieg
mit dem Erzfeind Israel zu drohen schien. Während Raisis Amtszeit vertiefte die
Islamische Republik ihre wirtschaftliche und militärische Kooperation mit China
und Russland, die Beziehung zum Westen kühlte unter anderem wegen des Streits
über das iranische Atomprogramm ab. Außerdem warf der Westen der Führung in
Teheran schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vor. Trotzdem gab es erst vor
wenigen Tagen wieder Berichte über neue Gespräche mit den USA im Golfstaat Oman.

Religiöser Hardliner: Raisi als Mann des Systems

Raisi wurde 1960 in Maschhad geboren und war über drei Jahrzehnte in der
zentralen Justizbehörde des Landes tätig. 2019 wurde er zum Justizchef ernannt.
In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll er 1988 für zahlreiche
Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen
sein, weshalb seine Gegner ihm den Beinamen "Schlächter von Teheran" verpassten.

Experten hatten Raisi zwischenzeitlich auch als möglichen Nachfolger für
Chamenei gehandelt, der im April 85 Jahre alt wurde. Auch wenn sich die Kritik
der jungen Generation inzwischen immer mehr gegen das gesamte System der
Islamischen Republik richtet, stand Raisi innenpolitisch besonders unter Druck.
Zuletzt trieb die Regierung ihren umstrittenen Kurs bei der Verfolgung des
Kopftuchzwangs voran und brachte damit Teile der Bevölkerung noch mehr gegen
sich auf./arb/DP/ngu

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH