20.05.2024 14:54:44 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2/Jubel im Lager Assange: Vorerst keine Auslieferung an USA

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LONDON (dpa-AFX) - Julian Assange darf wieder hoffen: Der Wikileaks-Gründer
kann gegen seine drohende Auslieferung an die USA noch einmal Berufung einlegen.
Der Londoner High Court gab dem Antrag des gebürtigen Australiers am Montag
teilweise statt. Damit ist eine unmittelbare Überstellung des 52-Jährigen an die
USA zunächst abgewendet. Seine Ehefrau Stella Assange sprach von einem
Wendepunkt und forderte die USA auf, das Verfahren umgehend einzustellen.

Assanges Team zeigte sich erleichtert. "Das ist ein Sieg", sagte der
aktuelle Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson der Deutschen Presse-Agentur nach dem
Urteil. Vor dem Gericht jubelten zahlreiche Anhänger von Assange, im Saal
umarmten sich seine Anwälte. Sie hatten zuvor die Richter in einer knapp
zweistündigen Anhörung davon überzeugt, dass der Australier seine Argumente in
einem vollen Berufungsverfahren darlegen darf. Ein Termin dafür steht noch nicht
fest, es dürfte aber nach Ansicht von Kommentatoren noch einige Monate dauern.

Am High Court stand die Frage im Mittelpunkt, ob sich Assange in den USA als ausländischer Staatsbürger auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen kann. Die
Richter hatten die Entscheidung Ende März zunächst vertagt und Zusicherungen aus
den USA gefordert. Diese überzeugten das Gericht jedoch zunächst nicht.

Assange drohen bei Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft

Die US-Regierung will dem Australier wegen Spionagevorwürfen den Prozess
machen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Die US-Regierung wirft ihm vor, mit
der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im
Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von
US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer sehen ihn
hingegen wegen der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Visier der Justiz aus
Washington.

Assanges Team warnt, der Gesundheitszustand des Wikileaks-Gründers sei
schlecht. Deshalb habe er nicht persönlich an dem Gerichtstermin teilgenommen.
Stella Assange, die ebenso wie sein Vater John Shipton im Gerichtssaal der
Anhörung folgte, fürchtet wegen der erwarteten harten Haftbedingungen in den USA
und der labilen Psyche ihres Mannes um sein Leben. Sie forderte US-Präsident Joe
Biden auf, die Anklage fallenzulassen. "Hören Sie einfach auf mit diesem
beschämenden Angriff auf Journalisten, die Presse und die Öffentlichkeit, der
seit 14 Jahren andauert", sagte sie nach der Gerichtsentscheidung.

Hoffen auf politische Lösung

Assanges Unterstützer dürften ihre Hoffnungen auch auf eine politische
Lösung setzen. Die australische Regierung fordert inzwischen die Freilassung
ihres Staatsbürgers. Regierungschef Anthony Albanese betonte, die Angelegenheit
ziehe sich schon zu lange hin.

US-Präsident Biden hatte kürzlich etwas Hoffnung geweckt. Da sagte er auf
die Frage, ob die USA ein australisches Ersuchen prüfen wollten, die
Strafverfolgung gegen Assange einzustellen: "Wir erwägen das." Albanese nannte
die Äußerung "ermutigend". Gemunkelt wird, die Regierung in Washington könne
womöglich kurz vor der Präsidentschaftswahl gar nicht erpicht auf eine baldige
Auslieferung und einen Assange-Prozess in den USA sein.

Fall zieht sich schon seit mehr als zehn Jahren hin

Assange sitzt seit etwa fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in
London. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich sieben Jahre in der
ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden
entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden
ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an
Beweisen fallen gelassen. Er sitzt inzwischen ohne eine Verurteilung im
Gefängnis. Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und
Politiker fordern Assanges sofortige Freilassung./cmy/DP/ngu

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