27.05.2024 12:58:15 - dpa-AFX: POLITIK: Hunderte Festnahmen nach Protesten in Armenien

ERIWAN (dpa-AFX) - In der Südkaukasusrepublik Armenien haben Zehntausende an
landesweiten Protestaktionen gegen die Regierung teilgenommen. Die
Demonstranten, die den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinjan fordern,
sperrten am Montag vielerorts Straßen ab, wie ein Korrespondent der Deutschen
Presse-Agentur vor Ort berichtete. Nach Polizeiangaben wurden bereits mehr als
200 Personen festgenommen. Hintergrund ist der Konflikt mit dem benachbarten
Aserbaidschan. Die Demonstranten werfen Paschinjan vor, um eines
Friedensvertrags willen armenisches Territorium aufzugeben.

Angeführt werden die seit Wochen laufenden Proteste vom Erzbischof von
Tawusch, Bagrat Galstanjan, der zuletzt zu einem lautstarken Gegenspieler
Paschinjans avanciert ist. Galstanjan hatte zu den Straßensperren am Montag
aufgerufen und beteiligte sich auch selbst daran. Der Erzbischof sperrte mit
seinem Lexus eine Straßenkreuzung im Zentrum der Hauptstadt Eriwan.

Die Unzufriedenheit der Menschen richtet sich gegen Paschinjan, seit
Armenien im vergangenen Jahr den jahrelangen Konflikt um die Region
Berg-Karabach verloren hat. Die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region hatte
sich in den 1990er Jahren nach einem blutigen Bürgerkrieg mit Hilfe Eriwans von
Aserbaidschan getrennt.

Das ölreiche und dadurch inzwischen stark aufgerüstete Aserbaidschan konnte
die Region jedoch 2020 in einem kurzen Krieg zunächst teilweise zurückerobern.
Im September 2023 erlangte Aserbaidschan durch eine weitere Offensive wieder die
vollständige Kontrolle über Berg-Karabach, was die Flucht fast der gesamten
ethnisch-armenischen Bevölkerung von 120 000 Menschen zur Folge hatte.

Überdies gibt es zwischen beiden Ländern weitere Grenzstreitigkeiten.
Aserbaidschan, das in dem Konflikt von der Türkei unterstützt wird, erhebt
weitere Gebietsforderungen an den wirtschaftlich und militärisch schwächeren
Nachbarn. Um einen Friedensvertrag zu erzielen, hatte Paschinjan zuletzt
Entgegenkommen in der Frage signalisiert und vier Grenzdörfer abgetreten. Im
eigenen Land stößt dies auf großen Widerstand./bal/DP/stw

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