12.05.2024 19:02:28 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Russische Offensive: Lage in Charkiw 'deutlich verschärft'

(Aktualisierung: Zahl der Toten in Belgorod)

KIEW (dpa-AFX) - Nach dem Vorstoß russischer Truppen ins ukrainische
Grenzgebiet Charkiw hat der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj die
Situation dort als schwierig bezeichnet. Das Verteidigungsministerium in Moskau
berichtete über die Besetzung vier weiterer Dörfer. Unterdessen meldete auch die
an Charkiw grenzende russische Grenzregion Belgorod heftigen Beschuss, für den
sie die Ukraine verantwortlich machte.

Syrskyj: "Lage im Gebiet Charkiw deutlich verschärft"

"Diese Woche hat sich die Lage im Gebiet Charkiw deutlich verschärft",
schrieb Syrskyj am Sonntag auf Telegram. "Derzeit halten in den Grenzgebieten
entlang der Staatsgrenze zur Russischen Föderation die Kämpfe an." Dann fügte er
hinzu: "Die Situation ist schwierig, aber die Verteidigungskräfte der Ukraine
tun alles, um Verteidigungslinien und -positionen zu halten". Zugleich räumte er
ein, dass die russischen Angreifer an einigen Abschnitten "Teilerfolge" erzielt
hätten.

Angesichts der Gefahrenlage mussten in Charkiw in den vergangenen Tagen
bereits rund 4000 Menschen ihre Häuser verlassen und an sicherere Orte gebracht
werden, wie Gouverneur Oleh Synjehubow schrieb. Viele von ihnen könnten bei
Freunden und Verwandten untergekommen, für andere würden Unterkünfte
bereitgestellt.

Institut: Russische Offensive soll Ukrainer von Grenze abdrängen

Russische Truppen hatten in der Nacht zum Freitag übereinstimmenden
Berichten zufolge im Grenzgebiet zur ukrainischen Millionenstadt Charkiw eine
Offensive gestartet. Laut russischem Verteidigungsministerium wurden dabei
mehrere ukrainische Grenzdörfer bei der Stadt Wowtschansk besetzt. Am Sonntag
meldete Moskau die Einnahme von vier weiteren Ortschaften.

Ukrainische und russische Militärbeobachter wie auch ausländische Experten
gingen aber davon aus, dass der Vorstoß noch nicht auf die Stadt Charkiw ziele.
Das Institut für Kriegsstudien ISW in den USA sprach von "begrenzten operativen
Zielen". Die Angriffe sollten die ukrainischen Kräfte von der Grenze abdrängen;
durch das Vorrücken solle Charkiw wieder in die Reichweite russischer Haubitzen
und Kanonen kommen.

Strategisches Ziel sei, die Ukrainer zu zwingen, Soldaten und Material von
anderen bedrängten Abschnitten der Front im Osten abzuziehen. Der begrenzte
Einsatz lege nicht nahe, "dass russische Kräfte in großem Maßstab eine
Offensivoperation durchführen, um Charkiw einzuschließen, einzukreisen oder zu
erobern", schrieb das ISW. Gleich zu Beginn des Angriffskriegs im Frühjahr 2022
waren russische Truppen nach Charkiw eingedrungen, konnten aber abgewehrt
werden.

Wohnhaus in russischer Grenzregion Belgorod schwer beschädigt

In der an Charkiw grenzenden russischen Grenzregion Belgorod wurde
unterdessen ein mehrstöckiges Wohnhaus bei einem Angriff schwer beschädigt. Aus
den Trümmern wurden bis zum Nachmittag mindestens sechs Tote geborgen, wie der
Zivilschutz nach Angaben der Staatsagentur Tass mitteilte. Russlands
Verteidigungsministerium teilte mit, das Haus sei von herabstürzenden Trümmern
einer ukrainischen Totschka-U-Rakete getroffen worden. Unabhängig überprüft
werden konnte das zunächst nicht. Der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw
Gladkow, sprach von mindestens 19 Verletzten.

Von ukrainischer Seite gab es zunächst keine offizielle Reaktion. In
ukrainischen Medien wurde die russische Darstellung allerdings teils in Zweifel
gezogen. Die Agentur Ukrinform etwa schrieb unter Berufung auf einen Experten,
die auf den Fotos sichtbaren Zerstörungen legten nahe, der Gebäudeteil könnte
vorsätzlich gesprengt worden sein, um zu provozieren und die eigenen Angriffe zu
rechtfertigen./haw/cha/DP/he

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