21.05.2024 22:38:22 - dpa-AFX: Experten des Europarats prangern Georgiens Transparenz-Gesetz an

STRASSBURG (dpa-AFX) - Nach Massenprotesten gegen ein umstrittenes Gesetz in
der Südkaukasusrepublik Georgien zur Offenlegung ausländischer Finanzierungen
haben Experten des Europarats das Dokument als undemokratisch kritisiert. Das
Gesetz über die Transparenz von ausländischem Einfluss sollte zurückgezogen
werden, hieß es in einer am Dienstagabend in Straßburg veröffentlichten
Stellungnahme der sogenannten Venedig-Kommission des Europarates. Die
Expertenkommission berät Mitgliedsstaaten, darunter Georgien, in Rechtsfragen.

Das Gesetz soll den ausländischen Einfluss auf Nichtregierungsorganisationen begrenzen. Verschärft wird die Rechenschaftspflicht für Hilfsorganisationen und
unabhängige Medien, die mehr als 20 Prozent ihrer Gelder aus dem Ausland
erhalten.

In seiner jetzigen Fassung gebe es fundamentale Fehler, die erhebliche
negative Folgen hätten für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf
Privatleben und das Recht, sich gesellschaftlich zu engagieren, hieß es aus
Straßburg. Die Kommission bedauere, dass das georgische Parlament das Gesetz
beschlossen habe, ohne die Experteneinschätzung abzuwarten.

In Kraft ist das Dokument, gegen das Zehntausende Menschen in Georgien
protestiert hatten, aber noch nicht. Die prowestliche Präsidentin Salome
Surabischwili hat ihr Veto eingelegt. Die Regierung will den Einspruch nun mit
ihrer Mehrheit im Parlament kippen.

Die Venedig-Kommission hält das Gesetz allerdings für nicht vereinbar mit
der Europäischen Konvention der Menschenrechte. Statt Transparenz bestehe das
Risiko, dass Vereinigungen oder Medien, die die Regierung kritisieren,
stigmatisiert, zum Schweigen gebracht oder sogar eliminiert würden. Die Experten
sehen demnach eine Gefahr für die offene Gesellschaft, Pluralismus und
Demokratie.

Die Kommission kritisierte auch, dass die europäischen Erfordernisse für
eine demokratische Gesetzgebung nicht eingehalten worden seien, weil es etwa
keine echte öffentliche Debatte und keine Konsultationen gegeben habe. Die EU
hatte das Gesetz bereits scharf kritisiert und davor gewarnt, dass es das Land
in seinem Streben nach einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union
zurückwerfen könne. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte es. Dagegen
verbat sich die georgische Führung Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten.

Gegner des Gesetzes befürchten, dass die georgische Führung nach dem Vorbild eines international kritisierten Gesetzes gegen ausländische Agenten in Russland
damit gezielt gegen Andersdenkende vorgehen könnte. In Russland beklagen Medien,
Personen und Nichtregierungsorganisationen Stigmatisierung und politische
Verfolgung./mau/DP/he

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