15.05.2024 16:02:59 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Grüne und SPD für mehr Arbeitsanreize jenseits des Rentenalters

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BERLIN (dpa-AFX) - In der Debatte um die sogenannte Rente mit 63 rückt die
Koalition mehr Anreize für längeres Arbeiten in den Fokus. So sprach sich
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für stärkere derartige Anreize aus.
"Das wird nun zwischen dem Bundeskanzler, dem Finanzminister und mir beraten",
sagte Habeck dem Magazin "Focus". Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte am
Mittwoch in der Regierungsbefragung im Bundestag: "Wir brauchen flexible
Übergange in den Ruhestand, meinetwegen auch noch stärkere Anreize, auch noch
freiwillig länger zu arbeiten, aber keine Leistenschmiede, wo wir alle über
einen Leisten ziehen, denn das wäre für viele Menschen nichts anderes als eine
Rentenkürzung."

Damit wandte sich Heil erneut gegen eine Abschaffung der abschlagsfreien
Rente nach 45-jähriger Beitragszahlung, wie sie die FDP gefordert hatte.
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sagte der Funke Mediengruppe, zur
Rente mit 63 gebe es viele Ansätze. "Experten haben beispielsweise
vorgeschlagen, gesundheitliche Probleme zur Voraussetzung zu machen." Jedenfalls
müsse ein Rentenbeitragssatz von 22 Prozent in den 2030er Jahren abgewendet
werden. Aktuell wolle er sich aber auf anstehende Entscheidungen konzentrieren,
sagte Lindner mit Verweis auf das Rentenpaket, das im Laufe des Mais beschlossen
werden solle. In einem Beschluss des FDP-Präsidiums vom Montag heißt es, die
Rente mit 63 setze wie das Bürgergeld Fehlanreize, "die wir uns nicht leisten
können".

Auch ohne Abschläge früher in Rente?

Habeck sagte: "Ich verstehe und teile das Ziel der FDP, dass möglichst viele Menschen auch in höherem Alter arbeiten und ihr Wissen und Können einbringen."
Die Grünen im Bundestag warnten zugleich vor einer Abschaffung der sogenannten
Rente mit 63. "Eine solche Reform würde keineswegs kurzfristig den Haushalt 2025
sanieren, aber stattdessen zu einem massiven Vertrauensverlust führen", sagte
der Rentenexperte der Grünen-Fraktion, Markus Kurth, der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. In einem Faktenpapier argumentiert Kurth, nur eine
sehr kurzfristige Abschaffung könnte für 2025 noch haushaltswirksam werden. "So
schnell könnten die wenigsten Betroffenen noch mit einer Verhaltensänderung
reagieren", so der Grünen-Politiker. Stattdessen dürften viele im Fall der
Abschaffung mit Abschlägen vorzeitig in Rente gehen - die Einsparungen der
Rentenversicherung wären dadurch klein.

Auch ein weniger abruptes Aus für die Rentenart würde Planungen von
Arbeitgebern und Beschäftigten aus Sicht Kurths wohl vielfach zuwiderlaufen.
"Wenn das Ziel sein soll, möglichst viele Arbeitskräfte so lange wie möglich am
Arbeitsmarkt zu halten, müssen wir in Präventions- und Reha-Maßnahmen
investieren und flexible Übergänge in die Altersrente ermöglichen." Kurth wies
zudem darauf hin, dass es bereits attraktive Anreize für ältere Erwerbstätige
gebe - einen Zuschlag in Höhe von sechs Prozent auf die Rente für jedes
Jahr hinausgezögerten Renteneintritts.

Einsparungen von drei Milliarden?

Insgesamt sei die Frage, wie teuer die Rente mit 63 ist, schwer zu
beantworten, sagte Kurth. Nicht klar sei, wie viele ohne die Rentenart mit
Abschlägen frühzeitig in Rente gehen und wie viele die Rente aufschieben würden.
Kurth verwies auf eine Studie, die von jährlichen Sparpotenzialen bei sofortiger
Abschaffung von 1,7 bis 3 Milliarden Euro ausgeht ? allerdings auf Basis nicht
überprüfbarer Annahmen zum Verhalten der Betroffenen, wie Kurth betonte. Zuletzt
gab es deutlich mehr als zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzer dieser Rentenart.
Wie für die reguläre Altersrente wird auch hierbei das Eintrittsalter
schrittweise erhöht. Es liegt jetzt bei 64 Jahren und 4 Monate und soll noch bis
65 Jahre steigen.

Rentenpaket soll nun kommen

Nach der jüngsten Verschiebung der Kabinettsbefassung des geplanten
Rentenpakets betonte Heil, Lindner und er seien gewillt, die Reform im Mai
vorzulegen. "Es ist wichtig, dass wir in dieser Legislaturperiode Klarheit
schaffen, was das Rentenniveau betrifft", so Heil. Mit der Reform wollen Heil
und Lindner dieses Sicherungsniveau stabilisieren und den erwarteten Anstieg der
Rentenbeiträge abbremsen. Das Rentenniveau - aktuell 48,2 Prozent - soll
zunächst bis 2040 bei 48 Prozent gehalten werden. Mit den Erträgen einer neuen
Kapitalanlage von mindestens 200 Milliarden Euro bis Mitte der 2030er Jahre will
die Regierung zudem den erwarteten Anstieg der Beiträge abpuffern. In ihrem
Gesetzentwurf rechnen die Ministerien von Heil und Lindner so mit einem
Beitragsanstieg von aktuell 18,6 Prozent bis 2045 noch auf 22,3 Prozent.

Habeck zeigte sich überrascht, dass der Streit über die Rente zwischen FDP
und SPD jetzt so deutlich ausgetragen werde. "Das Rentenpaket war eigentlich
geeint." In seinem Wirtschaftsministerium habe man damit anfangs ein paar
Probleme gehabt, "weil uns die schuldenfinanzierte Aktienrente nicht auf Anhieb
überzeugt hat". Mit dem Ergebnis könne man aber leben./bw/DP/men

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